Fortbildung zu Linked Open Data
1. Dezember 2015, an der Universitäts- und Landesbibliothek in Halle, veranstaltet vom VDB-Regionalverband Sachsen – Sachsen-Anhalt – Thüringen
Für den 1. Dezember 2015 hatte der VDB-Regionalverband Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zu einer Fortbildung an die Universitäts- und Landesbibliothek in Halle eingeladen. Die Fortbildung befasste sich mit einem Thema, das zwar in aller Munde, aber noch kaum im bibliothekarischen Alltag angekommen ist: Linked Open Data (LoD). Zahlreiche Mitglieder des Regionalverbands, aber auch weitere Bibliothekarinnen und Bibliothekare und auch ein Wissenschaftler der Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg waren der Einladung gefolgt. Herr Dr. Wehnert, amtierender Direktor der ULB Halle, begrüßte die Gäste mit herzlichen Worten und wünschte der Veranstaltung viel Erfolg. Frau Kathrin Drechsel, Vorsitzende des VDB-Regionalverbands, bedankte sich beim Gastgeber für die Unterstützung der Veranstaltung.
Als Referenten hatte der VDB Herrn Felix Ostrowski (Graphthinking GmbH), Herrn Dr. Jens Mittelbach (SLUB Dresden) und Frau Dr. Hendrikje Carius (Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha) gewinnen können. Herr Felix Ostrowski, der ein Studium der Technology Communication absolviert hat, war seit 2008 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt Universität Berlin tätig. Im Jahr 2013 gründete er sein eigenes Unternehmen und arbeitet seitdem als Experte und Entwickler im Wissens- und Informationsmanagement. Felix Ostrowski beschäftigt sich seit mehreren Jahren intensiv mit dem Thema Linked Data. Zwei Referenten aus der Region ergänzten den Experten mit Beiträgen aus der bibliothekarischen Praxis. Herr Dr. Jens Mittelbach, seit 2010 Leiter der Abteilung Benutzung und Information an der SLUB Dresden, ist bekannt als Spezialist bei der Implementierung neuer technischer Entwicklungen in Bibliotheksanwendungen.
Frau Dr. Hendrikje Carius ist nach einer Ausbildung im Bibliotheksvolontariat seit 2010 als wissenschaftliche Mitarbeiterin in verschiedenen Projekten an der Forschungsbibliothek Gotha tätig. Sie befasst sich intensiv mit dem Thema virtueller Forschungsumgebungen – ein Schwerpunkt liegt dabei auf digitalen Editionen.
Die unterschiedliche professionelle Verortung der Referentinnen und Referenten in Softwareentwicklung, Benutzung und digitaler Editionspraxis beleuchtete das Thema Linked Open Data aus verschiedenen Blickwinkeln.
Herr Ostrowski präsentierte unter der programmatischen Frage „Linked Open Data und die Bibliothekswelt – wie füreinander gemacht?“ einen sehr anschaulichen Überblick über das (mögliche) Zusammenspiel von Bibliotheken und LoD. Er beschrieb hierzu die Komponenten von LoD aus Bibliothekssicht: Transport mittels http, Identifikation durch die URL, Austausch über RDF, Beschreibung mit Hilfe von Vokabularen, Speicherung und Publikation sowie strukturierte Abfragen. Herr Ostrowski erörterte zudem die für die Datenfreigabe relevanten Aspekte des Zugangs, der Lizenz und des Formats. Der Nutzen aus LoD wird u.a. ersichtlich in sogenannten Mashups, z.B. in der Nordrhein-Westfälischen Bibliographie, die mehrere Datenquellen nutzt, um neue Daten anzubieten, oder in der Arbeit von Suchmaschinen, die miteinander verknüpfte Daten in neue Zusammenhänge stellen.
Dr. Jens Mittelbach berichtete über die Entwicklung der Dateninfrastruktur an der SLUB Dresden in den vergangenen Jahren. Nachdem sich kommerzielle bzw. Dateninfrastruktur-Lösungen mit nicht freiem Programmcode als zu wenig flexibel für die Bedürfnisse der SLUB erwiesen hatten, hat sich die SLUB Dresden für eine Offenheits-Offensive entschieden, die ihr perspektivisch ein professionelles und selbstbestimmtes Datenmanagement ermögliche. Auf diese Weise liegen das Metadaten- und Datenquellenmanagement, die Verarbeitung und Indexierung sowie die Datenpräsentation in Katalogen zukünftig vollständig in der Hand der Bibliothek. Die dafür entwickelte Open-Source-Datenmanagement-Plattform D:SWARM basiert auf Linked-Data-Technologien und eröffnet nicht nur einen integrierten Suchraum für sämtliche bereitgestellte Daten, sondern darüber hinaus die Möglichkeit, Update-Mechanismen zu optimieren und Metadaten sowie Inhalte zu semantisieren (z.B. durch automatische Daten-Anreicherung mit Hilfe von SLUBsemantics). In Kooperation mit der UB Leipzig konnten so seit 2014 ein offenes Katalog-Frontend und ein offener Artikelindex entwickelt werden. Die Offenheitsstrategie ziele mit der Publikation von LoD letztlich auch auf die Verbesserung der Sichtbarkeit im Netz – vor allem aber sei sie Ausdruck des Anspruchs, dass Kulturerbe-Einrichtungen die Hoheit über ihre Dateninfrastrukturen behalten müssten.
Frau Dr. Hendrijke Carius ging in ihrem Vortrag „Digitale Editionen und Linked Open Data. Stand und Perspektiven“ auf die Rolle von Bibliotheken als Editionsanbieter und -betreuer ein, wobei sie insbesondere Aspekte der Methodik, Standardisierung, Interoperabilität und Vernetzung in aktuelle Tendenzen der digitalen Editorik einbezog. Mit Blick auf LoD diskutierte Frau Dr. Carius Chancen und Herausforderungen des Einsatzes vernetzter offener Daten und stellte anhand von Praxisbeispielen aktuelle Anwendungsszenarien der semantischen Anreicherung und der Vernetzung von Editionen vor. Potentiale von LoD zeigte sie anhand von Editionsbeispielen auf, so u.a. von Korrespondenz-Editionen (GND-Beacon, correspSearch, „Vernetzte Korrespondenzen“) und von Rechnungsschriftgut (MEDEA). Chancen für den Einsatz von LoD sah sie insbesondere auch in der Vernetzung von Sammlungsobjekten aus Bibliotheken, Museen und Archiven („Semantic Blumenbach“ mit WissKI). Frau Dr. Carius wies aber auch darauf hin, dass der Aufwand bei der LoD-Anwendung – gerade auch in Anbetracht der Anforderung, interdisziplinäre Editionen mit einheitlichen Standards umzusetzen oder geisteswissenschaftliche Ontologien adäquat abzubilden – projektspezifisch in Relation zum Mehrwert abgewogen werden müsse.
Nach einer kurzen Mittagspause bestand die Möglichkeit, an einer Führung über den neu entstandenen Steintor-Campus und durch das zugehörige neue Gebäude der Zweigbibliothek der Geistes- und Sozialwissenschaften der ULB Halle teilzunehmen. Die neue Zweigbibliothek der ULB konnte nach fast zehnjährigem Planungsvorlauf und zweijähriger Baudurchführung im Oktober 2015 eröffnet werden. In der Zweigbibliothek sind derzeit etwa 760.000 Bestandseinheiten (90 % davon in Freihand) aufgestellt. Für die Nutzer/innen stehen 176 Leseplätze bereit. So manch pfiffige Lösung für allseits bekannte Problemfelder, z.B. Lärmbelästigung, gab Anlass zur Fachsimpelei.
Zum Abschluss des Tages trafen sich die Mitglieder zur Jahresversammlung, auf der der Vorstand die Arbeit des zurückliegenden Jahres resümierte und gemeinsam neue Ziele diskutiert wurden. Erwogen wird u.a. eine Studienfahrt nach Freiberg.