Wissensmanagement und RDA

Jahresbericht des VDB-Regionalverbands Südwest für das Jahr 2015

Die Jahresversammlung des VDB-Südwest „wandert“ traditionell durch das aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland bestehende Einzugsgebiet des Regionalverbands. Die letzten Versammlungen hatten an großen Universitäts- und Landesbibliotheken stattgefunden (UB Mannheim, UB Mainz, SULB Saarbrücken und BLB Karlsruhe); diesmal kam eine kleinere Bibliothek zum Zuge. Ca. 30 Kolleginnen und Kollegen trafen sich am Freitag, 20. März 2015, in der Diözesanbibliothek in Rottenburg am Neckar – einer schwäbischen Kleinstadt mit bedeutender römischer Historie und mittelalterlichem Flair. Die Diözesanbibliothek befindet sich im selben Gebäudekomplex wie das Diözesanmuseum und die Bildungsstätte „Hirscherhaus“ der Diözese, in deren Sitzungssaal wir die Tagung abhalten konnten.

Nach der Begrüßung durch einen Vertreter der Diözese Rottenburg-Stuttgart (Prof. Dr. Felix Hammer, Ltd. Direktor i.K.) und die Vorsitzende des Regionalverbands, Heidrun Wiesenmüller, fand zuerst die Mitgliederversammlung statt. Es folgte eine Vorstellung der Bibliothek durch Georg Ott-Stelzner, den Leiter der Diözesanbibliothek und der Bibliothek des Wilhelmsstifts in Tübingen. Die 1917 gegründete Diözesanbibliothek ist eine katholisch-theologische Spezialbibliothek mit einem Bestand von ca. 150.000 Bänden, darunter wertvollen Altbeständen.

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Ausgesprochen interessant war das Besichtigungsprogramm: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden nicht nur durch die Diözesanbibliothek geführt, sondern auch durch das Diözesanmuseum. In den 1990er-Jahren wurden beide Einrichtungen auf architektonisch sehr reizvolle Weise in die Kirche des ehemaligen Karmeliterklosters integriert. Der Museumsleiterin Dr. Melanie Prange gelang es, trotz der kurzen Zeit, spannende Einblicke in die bedeutende Sammlung zu geben (das älteste Stück ist ein Reliquiar aus dem Jahr 700) und überraschende Einsichten zu vermitteln.

Im Fortbildungsblock nach der Mittagspause stand das Thema Wissensmanagement in Bibliotheken – Erfahrungen und Perspektiven auf dem Programm. Den Einstieg machte Prof. Cornelia Vonhof (HdM Stuttgart), die nicht nur verschiedene Modelle von Wissensmanagement vorstellte, sondern vor allem der Frage nachging, wie Wissensmanagement zum Erfolg werden kann. „Wenn Wissensmanagement heißt: schreibe dein Wissen in eine Datenbank, finde dabei ein geeignetes Abstraktionsniveau, vielleicht wird irgendjemand irgendwann darauf zugreifen und es wird irgendwie nützlich für ihn sein, verwende möglichst wenig produktive Zeit damit – dann wird das nicht klappen!“ Auch der Einsatz von Social Software (z.B. die Verwendung von Wikis oder Blogs) alleine schafft hier keine Abhilfe. Denn es ist ein Grundprinzip von sozialen Netzwerken, dass die Masse der Inhalte von nur einem einzigen Prozent der Nutzerinnen und Nutzer erstellt wird und nicht mehr als neun Prozent die Inhalte kommentieren oder taggen – die restlichen neunzig Prozent konsumieren nur („90-9-1 Regel“). Wissensmanagement funktioniere nur, so Cornelia Vonhof, wenn es sich als nützlich für die wesentlichen Anwendungsfälle im Alltag erweist – z.B. bei der Unterstützung von Projekten und Prozessen oder beim persönlichen Informationsmanagement. Ein Überblick über verschiedene Tools und Praktiken des Wissensmanagement und deren aktuelle Position auf dem Hype-Zyklus rundete den Vortrag ab.

Einblicke in die praktische Umsetzung an einer Bibliothek gab Anja Flicker, die Leiterin der Stadtbücherei Würzburg. Aus den zahlreichen einschlägigen Aktivitäten der Stadtbücherei wurde eine Auswahl näher vorgestellt, beispielsweise die Erarbeitung von Expertenprofilen für alle Beschäftigten. In einer Mindmap werden dabei u.a. Wissen und Kompetenzen sowie aktuelle Rollen und Tätigkeiten des Mitarbeitenden dokumentiert, aber auch sein persönliches Netzwerk und die von ihm genutzten Informationsquellen und -speicher. Für sogenannte „Communities of Practice“ stellt die Bibliotheksleitung Arbeitszeit und Räume zur Verfügung, mischt sich aber ansonsten nicht ein. Kolleginnen und Kollegen, die mit ähnlichen Aufgaben und Themen beschäftigt sind, können in diesem Rahmen ihr Wissen austauschen, Probleme gemeinsam lösen und sich gegenseitig unterstützen. Zu den weiteren Aktivitäten und Maßnahmen gehören beispielsweise strukturierte Besprechungen, ein Blog und ein Wiki. Die Folien von Cornelia Vonhof und Anja Flicker können auf der Veranstaltungshomepage abgerufen werden.1

Abschließend berichtete Anna Klug von der Abteilung „Research & Knowledge Services“ der Firma Horváth & Partners – einer international tätigen Unternehmensberatung mit über 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Während der Bereich „Research Services“ den Beratungsprozess in allen Phasen mit den benötigten Informationen unterstützt, versteht sich der Bereich „Knowledge Services“ als Dienstleister für das Wissensmanagement. Dazu gehören u.a. die Erstellung von Standards für die Projektdokumentation, das Entwickeln und Betreiben einer zentralen Informations- und Wissensplattform und das Angebot von Schulungen zum Wissensmanagement. Angesichts der stetig wachsenden Datenmengen in der digitalen Welt sind verschiedene Richtungen für die Weiterentwicklung denkbar, wie auch die abschließende Diskussion zeigte. Im Raum stand hier natürlich auch die Frage, inwieweit es für Bibliotheken eine neue Aufgabe sein könnte, als Wissensmanagement-Serviceeinrichtung für die jeweilige Organisation zu fungieren.

Mit einem gemeinsamen Abendessen klang die Jahresversammlung aus. Besonders gedankt sei an dieser Stelle der Firma Schweitzer Fachinformationen und der Versandbuchhandlung Missing Link, die die Veranstaltung als Sponsoren unterstützt haben.

Was man als Nicht-Katalogisierer über RDA wissen muss – eine Einführung in das neue Katalogisierungsregelwerk war der Titel einer Fortbildungsveranstaltung, die am Donnerstag, 26. November 2015, an der Badischen Landesbibliothek stattfand. Diese Fortbildung ging auf eine Anregung aus dem Kreis der Regionalverbandsmitglieder auf der Rottenburger Jahresversammlung zurück. Zu Recht war darauf hingewiesen worden, dass das reguläre Schulungsprogramm und die offiziellen Schulungsunterlagen der AG RDA primär für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Katalogisierungsabteilungen gedacht sind. Gewünscht war nun eine Schulung spezifisch für Kolleginnen und Kollegen, die nicht selbst katalogisieren, aber in ihrer täglichen Arbeit mit RDA-Daten umgehen – z.B. bei der Sacherschließung und im Informationsdienst. Der Schwerpunkt sollte deshalb weniger auf einzelnen Detailregeln liegen als auf den Grundprinzipien und der neuartigen Herangehensweise von RDA.

Eine Referentin war in diesem Fall nicht schwer zu finden, da die Vorsitzende des Regionalverbands selbst Mitglied der AG RDA ist. Über 50 Kolleginnen und Kollegen folgten der Einladung nach Karlsruhe und hielten tapfer durch – viereinhalb Stunden reine Schulungszeit und über 150 Folien lang! Die Inputphasen wechselten dabei immer wieder mit kleinen Aufgaben ab. Die Materialien können auf der Veranstaltungsseite heruntergeladen werden.2

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Zunächst ging es um die Entwicklung des neuen Regelwerks und seine Einführung im deutschsprachigen Raum, danach wurden die Ziele und Charakteristika von RDA dargestellt. Zu diesen gehört u.a., dass es keine Sonderregeln für unterschiedliche Materialarten mehr gibt wie in der RAK-Welt und dass RDA bewusst viele Spielräume bietet. An das „cataloger’s judgment“ müssen sich Katalogisierende in Deutschland freilich erst noch gewöhnen. Um für das Semantic Web gerüstet zu sein, setzt RDA auf feine Untergliederungen und präzise Spezifikation der unterschiedlichen Informationen. Allerdings kommen diese Vorzüge (noch) nicht zur Geltung, solange als Austauschformat MARC 21 verwendet wird. Beispielsweise gibt es in MARC nur zwei Felder für Beziehungen zu Personen, sodass format­technisch nicht zwischen einem zweiten Verfasser, einem Herausgeber oder einer gefeierten Person unterschieden werden kann.

Die theoretische Fundierung von RDA bietet das FRBR-Modell – ohne diesen Hintergrund kann man auch den Aufbau des Regelwerks nicht verstehen. In der deutschen Implementierung werden jedoch die Ebenen Werk, Expression und Manifestation nicht in unterschiedlichen, miteinander verknüpften Datensätzen gehalten, sondern liegen in Form einer zusammengesetzten Beschreibung sozusagen „vermischt“ im Titeldatensatz vor. Um die wichtigsten RDA-Elemente kennenzulernen, wurde eine Ressource – ein Roman von Agatha Christie in deutscher Übersetzung – beispielhaft in tabellarischer Form beschrieben. Thematisiert wurden außerdem die unterschiedlichen Erschließungslevels, die nach RDA möglich sind (Kernelemente, Zusatzelemente, weitere Elemente). Denn dies ist entscheidend dafür, welche Informationen man in RDA-Katalogisaten zuverlässig erwarten darf – und welche eben nicht. Erläutert wurde auch, warum RDA-Katalogisate in mancherlei Hinsicht auch an der Oberfläche anders aussehen als RAK-Katalogisate: Neben einigen Änderungen bei den ISBD-Deskriptionszeichen ist dies vor allem eine Folge des genauen Übertragens (d.h. Abschreibens) von Angaben aus der Informationsquelle. So wird beispielsweise nichts mehr abgekürzt und im Normalfall auch nichts mehr weggelassen. Vorgestellt wurden außerdem einige interessante Einzelaspekte von RDA wie der Umgang mit Pseudonymen (normalerweise gibt es getrennte Normdatensätze für die reale Person und das Pseudonym) oder die Beschreibung von Reproduktionen, wie z.B. Digitalisaten (Grundlage der Beschreibung ist die Reproduktion selbst; Angaben zum Original werden in Form einer Beziehung zur ursprünglichen Manifestation abgelegt). Abschließend warf die Referentin noch einen Blick auf das Thema „RDA und Sacherschließung“.

Nur wenige Tage vor der RDA-Fortbildung war die Ausstellung „Welterfahrung und Innovation. Epochenwandel in der Buchmalerei des 15. Jahrhunderts“ als Kooperation zwischen der Badischen Landesbibliothek und der Abteilung Germanistische Mediävistik und Frühneuzeitforschung des KIT eröffnet worden. Interessierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten die Gelegenheit, sich von der Kuratorin, Dr. Annika Stello (BLB), durch die Ausstellung führen zu lassen.

Mitte Dezember 2015 wurde die 28. Ausgabe des Mitteilungsblattes Südwest-Info mit einem Umfang von 25 Seiten auf der Website des Regionalverbands veröffentlicht.3 Das neue Heft enthält u.a. einen ausführlichen Bericht über den neuen Triplex-Lesesaal an der Universitätsbibliothek Heidelberg und gibt damit bereits einen Vorgeschmack auf die nächste Jahresversammlung, die am Freitag, 3. Juni 2016, an der UB Heidelberg stattfinden wird. Ein weiteres Thema ist die Teil-Wiedereröffnung der sanierten Buchbereiche in der Bibliothek der Universität Konstanz, in deren Folge nun großzügige Lern- und Arbeitsbereiche zur Verfügung stehen. Berichtet wird u.a. auch über das Buchpatenschaftsprogramm der WLB Stuttgart, die „TulpenKULTur“-Ausstellung der BLB Karlsruhe sowie Verbesserungen bei der Verwaltung von E-Books beim BSZ.

Über die nächsten Veranstaltungen wird der Vorstand wie gewohnt über die Website des Regionalverbands4, den Terminkalender des VDB und die Inetbib-Liste informieren. Unsere Mitglieder erhalten außerdem regelmäßig Informationen über den Mailverteiler des Regionalverbands.

Heidrun Wiesenmüller, Hochschule der Medien Stuttgart (Vorsitzende des Regionalverbands)

Zitierfähiger Link (DOI): http://dx.doi.org/10.5282/o-bib/2016H1S80-84

4 URL: http://www.vdb-online.org/landesverbaende/sw/ (28.01.2016).