Von Bottom up zu Top down

Umfrage: Forschende der Ingenieurwissenschaften erwarten klare Rahmenbedingungen von den Hochschulleitungen bei Open Access und Open Educational Resources

Carsten Elsner, Universitätsbibliothek Braunschweig
Nicole Rosenke, Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt
Markus Weber, TU Darmstadt, Hochschuldidaktische Arbeitsstelle
Christian Hoppe, TU Darmstadt, Hochschuldidaktische Arbeitsstelle
Stefan Drößler, Universitätsbibliothek Stuttgart
Sibylle Hermann, Universitätsbibliothek Stuttgart

Zusammenfassung

In den meisten Universitäten sind Dienste rund um das Open-Access-Publizieren inzwischen gut etabliert. Open Educational Resources spielen dagegen in vielen Fällen eine eher untergeordnete Rolle. Grundsätzlich ist zu beobachten, dass OA-Angebote in einzelnen Fachbereichen unterschiedlich wahrgenommen werden. Ingenieurwissenschaften sind durch ihre Anwendungsorientierung durch Industriekooperationen gut mit Geldmitteln ausgestattet und weniger auf öffentliche Drittmittel angewiesen, was ein Grund für den geringeren Umfang von OA-Publikationen sein kann. Gleichzeitig standen sie bisher nicht im Fokus der OA-Dienste. Im OpenIng-Projekt wurde aus diesem Grund eine Umfrage durchgeführt, um das Publikationsverhalten von Ingenieurinnen und Ingenieuren zu untersuchen. Nur so ist es möglich, bedarfsorientierte und zielgerichtete Dienste zu entwickeln. Die Umfrage hat gezeigt, dass bei der anvisierten Zielgruppe durchaus ein OA-Bewusstsein vorhanden ist, aber dieses nicht ausreicht, das Publikationsverhalten zu verändern. Ein Grund dafür sind unter anderem die unklaren Rahmenbedingungen, wann und wie OA veröffentlicht werden kann. Darüber hinaus wünschen sich die Ingenieurinnen und Ingenieure ein klares Mandat der Universitätsleitung für OA.

Summary

At most universities, services related to Open Access publishing are now well established, while Open Educational Resources usually play a subordinate role. It can be observed that OA services are perceived differently in individual subject areas. Due to their application orientation, the engineering sciences are usually well funded because of industrial cooperation. As a result, they are less dependent on public third-party funding which may be a reason for the comparatively small number of OA publications. Additionally, the engineering sciences have not been especially targeted by OA services. For this reason, a survey was conducted as a part of the OpenIng project in order to investigate the publication behaviour of engineers and as a basis for developing targeted services. The survey shows, among other things, that OA awareness does exist, but often does not lead to OA publications. Among other things, the general conditions as to when and how OA can be published are often unclear. In addition, the engineers want a clear mandate for OA from the university management.

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/2019H2S80-91

Autorenidentifikation: Carsten Elsner, ORCID: https://orcid.org/0000-0002-8204-8117; Nicole Rosenke, ORCID: https://orcid.org/0000-0001-7597-7885; Stefan Drößler, GND: 171779266, ORCID: https://orcid.org/0000-0001-8071-5070; Sibylle Hermann, ORCID: https://orcid.org/0000-0001-9239-8789

Schlagwörter: Open Access, Open Educational Resources, Transformation, Umfrage, Ingenieurwissenschaften

1. Ausgangslage

Bisher wurde in den Ingenieurwissenschaften wenig Open Access (OA) publiziert. Wie nutzen Ingenieurwissenschaftler*innen Open Access (OA) und Open Educational Resources (OER) und warum tun Sie es unter Umständen noch nicht? Diese Frage steht im Fokus des vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts „OpenIng“. Einige bereits durchgeführte Umfragen beschäftigen sich allgemein mit dem Publikationsverhalten von Forschenden in Bezug auf Open-Access.1 Gezielt nahmen das Publikationsverhalten von Ingenieurinnen und Ingenieuren etwa Němečková und Adlerova in den Blick.2 Das Thema OA wurde jedoch nicht weiter vertieft. Quantitative Untersuchungen zum Umfang von OA in den Ingenieurwissenschaften gibt es bisher hingegen kaum. Einige der wenigen Untersuchungen wurde von Virginia A. Baldwin durchgeführt, stammt aber schon aus dem Jahr 2010 und nimmt allein die USA in den Blick.3

Auch zur Haltung von Forschenden in den Ingenieurwissenschaften zu OA ist bisher wenig bekannt. Hier muss auf eine entsprechende Studie von Mischo und Schlembach an der University of Illinois at Urbana-Champaign aus dem Jahr 2011 zurückgegriffen werden.4 In der Studie wird deutlich, dass die Ingenieurwissenschaften diverser aufgestellt sind als andere Fachcommunities. Darüber hinaus stellen die Autoren fest, dass es ein breites Spektrum an Veröffentlichungsformen gibt, das von Fachartikeln über Konferenzbeiträgen bis hin zu Grauer Literatur reicht. Besondere Formen von Veröffentlichungen in den Ingenieurwissenschaften seien technische Berichte, Normen und Patente. Einschlägige Befragungsergebnisse zeigten jedoch, dass an ingenieurwissenschaftlichen Fakultäten nicht in einem größeren Umfang Gold OA publiziert wird und die Form des institutionellen Repositoriums wenig bekannt ist.5 Mischo und Schlembach kommen zu dem Schluss, dass in den Ingenieurwissenschaften starke Vorbehalte gegen das APC-basierte Gold-OA-Modell und mangelnde Kenntnis des grünen Weges (Zweitveröffentlichungen) weit verbreitet sind. Inhalte würden häufig über persönliche und institutionelle Webseiten zugänglich gemacht. Nachhaltigkeit und Zitierfähigkeit stünden nicht im Fokus der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.6

Auch andere Untersuchungen weisen in diese Richtung: Bezogen auf spezifische ingenieurwissenschaftliche Fachdisziplinen konnte 2016 in einer bibliometrischen Analyse im Zuge der Einrichtung eines OA-Publikationsfonds für die TU Darmstadt festgestellt werden, dass in den Ingenieurwissenschaften das kostenpflichtige OA-Modell nur für die Elektro- und Informationstechnik und die Materialwissenschaft eine, wenn auch kleine, Rolle gespielt hat.

Häufig werden die abstrakten Ziele von OA geteilt, aber von den Akteuren keine konkreten Handlungsschritte unternommen. So fand auch Xia7 heraus, dass Forschende zwar OA kennen und beabsichtigen OA zu veröffentlichen, diese Pläne aber meist nicht umsetzen.

Ähnlich verhält es sich in den Ingenieurwissenschaften in Bezug auf OER. Die offene und freie Verfügbarmachung von Bildungsressourcen, die in ingenieurwissenschaftlichen Lehr- und Forschungskontexten entstanden sind, stellt in der deutschsprachigen Hochschullandschaft noch einen Ausnahmefall dar. Zwar gibt es durchaus punktuelle Einzelinitiativen8, von einer breiteren Verankerung des OER-Gedankens kann jedoch noch keine Rede sein. Das Ziel, in den Ingenieurwissenschaften OA zu verankern, stellt durchaus eine größere Herausforderung auf mehreren Ebenen dar und gilt gleichsam auch für OER.

Für den deutschsprachigen Raum fehlen vergleichbare Untersuchungen wie die von Baldwin, Mischo/Schlembach und Xia. Für die Entwicklung fachspezifischer Services ist aber die Kenntnis der Bedürfnisse aus den Fachdisziplinen eine wichtige Voraussetzung. Zugleich erscheint es wichtig, den Gründen für die unzureichende Nutzung von OA und OER nachzugehen. Diese können rechtlicher, organisatorischer, finanzieller und reputationsbezogener Art sein. Daher untersucht das BMBF-geförderte OpenIng-Projekt das OA- und OER-Verhalten von Ingenieurinnen und Ingenieuren, um aus den gewonnenen Erkenntnissen bedarfsbezogene Angebote entwickeln zu können.9 OpenIng-Verbundpartner sind die Universitätsbibliotheken Braunschweig und Stuttgart, die Hochschuldidaktische Arbeitsstelle der TU Darmstadt und die Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt.10

2. Methodik

Um das Publikationsverhalten von Ingenieurinnen und Ingenieuren zu untersuchen, wurde im Rahmen des OpenIng-Projekts eine Umfrage im deutschsprachigen Raum durchgeführt.11 Dabei kam ein zweistufiges Verfahren zur Anwendung: Im ersten Schritt wurden OA- und OER-Expertinnen und Experten aus Bibliotheken und OER-Stellen befragt.12

Im zweiten Schritt fand eine Umfrage unter den Ingenieurwissenschaftlerinnen und Ingenieurwissenschaftlern statt. Für die Definitionen der Ingenieurwissenschaften wurde die DFG-Fachsystematik für die 400er-Fächer herangezogen, durch die auch die Binnengliederung der Ingenieurwissenschaften in Maschinenbau und Produktionstechnik, System- und Elektrotechnik, Bauwesen / Architektur, Informatik, Verfahrenstechnik, Materialwissenschaft und Werkstofftechnik definiert wurde.13 Zur Methode ist anzumerken, dass es sich um eine nicht repräsentative Umfrage handelt, da der dafür notwendige Querschnitt in den Befragungsgruppen mit den im Projekt zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht ermittelt werden konnte. Für die Fragebögen und die Auswertung kam die kommerzielle Software EvaSys zum Einsatz. Die Erstellung und die Auswertung der Fragebögen begleitete der Arbeitsbereich Evaluation der Hochschuldidaktischen Arbeitsstelle der TU Darmstadt.

Vor der Befragung der Ingenieurinnen und Ingenieure begann das OpenIng-Projekt mit Telefoninterviews unter Open-Access- und Open-Educational-Fachleuten im Zeitraum von Mitte April bis Mitte Mai 2018.14 Für eine Vergrößerung der Befragungsgruppe wurden die Interviews in einen explorativen Online-Fragebogen überführt, der eine einfachere Auswertung und die Verständlichkeit der gestellten Fragen sicherte. Angeschrieben wurden 100 Personen aus dem Bereich OA, 30 aus dem Bereich OER. Teilgenommen haben 24 aus dem Bereich OA, 12 aus dem Bereich OER.

Nach Auswertung der explorativen Umfrage konnten die Fragen an die Ingenieurinnen und Ingenieure inhaltlich besser fokussiert und präzisiert werden. Es wurden geschlossene und offene Fragen gestellt. Mehrfachnennungen waren, wenn sinnvoll, möglich. Für OA und OER gab es jeweils einen eigenen Fragebogen. Sobald ein Fragebogen beantwortet war, bestand auch die Möglichkeit, den jeweils anderen Fragebogen im Anschluss zu beantworten. Mit Hilfe einer filterbasierten Benutzernavigation konnten die Fragen mit geringem Zeitaufwand beantwortet werden. Im Zeitraum vom 25. September bis 31. Dezember 2018 haben 281 Ingenieurinnen und Ingenieure an der Umfrage teilgenommen. Ausgewertet wurden die Statusgruppen Professorinnen/Professoren, Postdocs und Doktoranden.

3. Ergebnisse

Stellt man die Antworten aus den beiden Umfragen inhaltlich gegenüber, so lassen sich für einige Fragen Tendenzen ablesen, wo die Einschätzung der Expertinnen und Experten mit den Antworten aus der Community übereinstimmen bzw. Unsicherheiten bei der Einschätzung vorlagen. Aufgrund der unterschiedlich großen Menge an Teilnehmenden an den beiden Umfragen sind Unschärfen dabei jedoch nicht ausgeschlossen.

Bei der Umfrage wurden jeweils die fünf meist genannten Antworten betrachtet. Wo es sinnvoll erschien, wurden Antworten gruppiert betrachtet. Im Folgenden werden die Bereiche Einsatz von OA und OER, genutzte Informationsquellen und strukturelle Rahmenbedingungen eingehender in den Blick genommen.

3.1. Einsatz von OA und OER

Bewertung: Besonders in der Einschätzung der allgemeinen Vorteile von OA kann eine große Übereinstimmung in beiden Umfragen festgestellt werden. Sowohl die Expertinnen und Experten als auch die Forschenden nennen die schnelle und weltweite Verfügbarkeit sowie die Sichtbarkeit und Auffindbarkeit im Internet als wesentliche Vorteile von Open Access. Umgekehrt wird aber auch deutlich, dass sowohl bei den OA-Fachleuten als auch den Forschenden Einigkeit darüber herrscht, dass die Unkenntnis der Vorteile von OA einer der Gründe ist, diese Publikationsform nicht zu verwenden. Als weitere übereinstimmende Gründe wurden rechtliche Unsicherheit, höherer Aufwand und fehlende Publikationsorte genannt. In der Hauptsache tragen die mangelnde Reputation von OA-Publikationen sowie das Fehlen anerkannter Fachzeitschriften dazu bei, dass sich die Forschenden gegen OA entscheiden.

Abb. 1

Bemerkenswert ist jedoch, dass etwa zwei Drittel der an der Umfrage beteiligten Forschenden die Unterstützung des OA-Gedankens als ein wesentlich wichtigeres Argument für sich sehen, OA zu veröffentlichen, als es die Expertinnen und Experten eingeschätzt haben.

Im Bereich der OER nennen beide Statusgruppen die bessere Nachnutzung durch freie Lizenzen, die Unterstützung des OER-Gedankens und die Sichtbarkeit und kollaborative Weiterentwicklung der Veröffentlichungen als größte Vorteile. Besonders hervorzuheben ist, dass die Forschenden mit großem Abstand zu anderen Gründen die Unterstützung des OER-Gedankens als wichtigsten Aspekt angegeben haben. Wie jedoch auch bei OA festgestellt werden konnte, führen Expertinnen und Experten und auch die Forschenden die rechtliche Unsicherheit und die Unkenntnis über OER im Allgemeinen als Ursachen dafür an, OER nicht zu verwenden.

3.2. Werden OA- und OER-Angebote von den Forschenden genutzt?

Es kann festgestellt werden, dass themenbezogene Online-Informationsmaterialien zu OA bei etwas mehr als der Hälfte der teilnehmenden Forschenden bekannt sind, jedoch nur etwa ein Drittel diese auch wirklich nutzen. Bestehende Publikationsservices zu Erst- und Zweitveröffentlichungen sind den Forschenden, obwohl von den Hochschulen angeboten, weitgehend unbekannt, werden aber als sinnvoll erachtet.

Die Expertinnen und Experten überschätzen hingegen eine OA-Publikationsberatung hinsichtlich der aktiven Nutzung durch Forschende. Zeitlich fixierte zentrale Angebote, wie zum Beispiel Informationsveranstaltungen zur International Open Access Week15, sind den Forschenden entweder nicht bekannt oder werden nur in geringem Maße genutzt.

Abb. 2

Die für den Bereich OA skizzierten Erkenntnisse sind nahezu vollständig auf den Bereich OER übertragbar, wenn auch in nochmals abgeschwächter Form. So sind die von den Einrichtungen in geringerem Umfang angebotenen Online-Informationsmaterialien einem Großteil nicht bekannt und werden auch nur schwach genutzt.

Besonders hervorzuheben ist für OER, dass mehr als die Hälfte der Forschenden die Angebote zu rechtlichen Fragen und zur Unterstützung bei der Erstellung von Inhalten nicht kennen, jedoch auch ein Viertel der Teilnehmenden diese Services als sinnvoll einordnet.

3.3. Strukturelle Unterstützungsangebote

Die Kenntnis über die von einem Großteil der Einrichtungen betriebenen Publikationsserver ist im Vergleich zu weiteren Angeboten wie dem Hosting von OA-Zeitschriften oder die Anbindung an Forschungsinformationssysteme bei den Forschenden am weitesten verbreitet. Die Möglichkeit, dort zu publizieren, wird allerdings nur von etwa einem Fünftel der Teilnehmenden aktiv genutzt. Das an den Einrichtungen geringer verbreitete Hosting von OA-Zeitschriften ist einem Großteil unbekannt und wird, wenn bekannt, kaum genutzt.

Etwa ein Drittel der Teilnehmenden greifen hingegen auf vorhandene Strukturen im Bereich der technischen Vernetzungsangebote, wie zum Beispiel Forschungsinformationssysteme, zurück.

Diese Ergebnisse entsprechen vor allem im Bereich der OA-Zeitschriften den Annahmen der Expertinnen und Experten, die die Nutzung von Publikationsservern jedoch als zu hoch und die der weiteren technischen Infrastrukturen als leicht zu schwach eingeschätzt haben.

Die in Form von Publikationsfonds (mit und ohne DFG-Förderung) existierende Unterstützung ist bei den Forschenden die bekannteste Form zur Finanzierung von OA-Publikationen und liegt mit der Verwendung von Drittmitteln etwa gleichauf. Die Einschätzung der Expertinnen und Experten zur aktiven Nutzung des Angebots von Publikationsfonds durch die Forschenden wird durch die Befragung bestätigt. Es ist festzustellen, dass die Unbekanntheit der existierenden Angebote bei den Forschenden der Hauptgrund für eine Nichtnutzung darstellt. Dieser Grund liegt noch weit vor zum Beispiel zu engen Förderregeln von Publikationsfonds.

Wichtige Faktoren zur Förderung von OA-Publikationen sehen die Forschenden in den hochschulpolitischen bzw. hochschulorganistorischen Rahmenbedingungen. Neben einer OA-Policy sind vor allem die Verankerung von OA, etwa in Promotionsordnungen, und die Wertschätzung auf der Ebene der Hochschulleitung (Präsidium, Rektorat) für die Forschenden essentielle Rahmenbedingungen zur Förderung von OA-Publikationen.

Werkzeuge zur Erstellung von digitalen Lehrmaterialien sind neben der technischen Vernetzung, zum Beispiel über Lernmanagementsysteme, im Bereich der OER die häufigsten Unterstützungsangebote der befragten Einrichtungen. Eigene Repositorien spielen eher eine untergeordnete Rolle. Dies spiegelt sich auch in der Nutzung der vorhandenen Angebote wider. Die Anzahl von Publikationen in Repositorien wurde von den Expertinnen und Experten allerdings zu hoch geschätzt, ebenso wurde die Relevanz von Werkzeugen zum Erstellen von digitalen Lehrmaterialien leicht überbewertet.

Abb. 3

Das Nichtvorhandensein von finanziellen Unterstützungsangeboten für OER an den befragten Standorten spiegelt sich in den Antworten der Forschenden wider. Entweder gibt es keine Kenntnis über die Fördermöglichkeiten oder diese werden, so vorhanden, nicht genutzt. Insgesamt schätzen die Forschenden eine finanzielle Unterstützung jedoch als sinnvoll ein. Daneben ist auch bei OER die Unbekanntheit der Angebote der Hauptgrund für eine Nichtnutzung. Zusätzlich existieren seitens der Forschenden Zweifel, dass sich der zeitliche Aufwand, OER-Inhalte zu erstellen, bewältigen lässt: Zeitmangel ist hier die zweithäufigste Antwort auf die Frage, warum OER nicht zum Einsatz kommt.

Auch in diesem Zusammenhang werden im Bereich der hochschulpolitischen und hochschulorganisatorischen Rahmenbedingungen das Vorhandensein einer Policy und die Wertschätzung auf Ebene der Hochschulleitung als wesentliche Kriterien zur Förderung von OER angesehen. Dieses Ergebnis stimmt im Wesentlichen mit den Antworten der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu den Rahmenbedingungen von OA überein.

4. Schlussfolgerungen und Einordnung der Ergebnisse

Aus den Befragungen der Zielgruppe der Ingenieurinnen und Ingenieure und der OA-Fachleute lassen sich einige Schlussfolgerungen ableiten: Unterstrichen werden muss zunächst die Bedeutung einschlägiger Policies für die Verbesserung der Rahmenbedingungen von OA und OER an den Hochschulen, Universitäten und Forschungseinrichtungen. OA und OER sollten als Führungsaufgabe auf Leitungsebene ernst genommen werden. Unterstützt werden sollte die Motivation der Forscherinnen und Forscher, ihre Publikationen ohne Bezahlschranken elektronisch zu veröffentlichen. Während die Open-Access-Bewegung immer stark auf Bottom-up-Aktivitäten fokussiert war und an die Entscheidung der Autorinnen und Autoren appelliert hat, OA zu publizieren, wird durch die Befragung deutlich, dass die Forschenden der Ingenieurwissenschaften klare Normsetzungen von Seiten der Hochschulen erwarten. Deshalb sollten an allen Einrichtungen entsprechende Top-down-Maßnahmen geprüft oder geschärft werden.

Normative Gründe für das OA- und OER-Publizieren werden von den Autorinnen und Autoren höher bewertet als von den Akteuren, die an Strategie, Beratung und Infrastruktur arbeiten. Deshalb sollten der sorgsame Umgang mit öffentlichen Gütern (Steuergelder) und der freie Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen als entscheidende Faktoren bei der Weiterentwicklung der entsprechenden Angebote immer deutlich benannt und in den Policies, Publikationsrichtlinien oder Promotionsordnungen verankert werden.

Im Hinblick auf die Differenzierung nach Statusgruppen ist deutlich geworden, dass Doktoranden in erster Linie über OA-Publikationsservices informiert werden müssen, dann aber auch eine hohe ideelle Motivation haben, OA zu publizieren. Diese ist bei den Postdocs am höchsten und bei Professorinnen und Professoren am geringsten ausgeprägt.

Die Betrachtung nach Statusgruppen hat Widersprüche zu Tage gefördert. So steht zum Beispiel die deutlich ausgeprägte Neigung zum OA-Publizieren bei den Postdocs der wesentlich geringeren Bereitschaft bei den Professorinnen und Professoren gegenüber. Offen bleiben muss die Frage, ob sich hier einfach unterschiedliche Generationen gegenüberstehen und die Offenheit für OA und OER bei jüngeren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern generell stärker ausgeprägt ist oder ob statusbezogene Faktoren den Ausschlag geben. Aus der Befragung lassen sich an dieser Stelle keine Schlussfolgerungen ableiten. Untersucht wurde zum Beispiel nicht, ob jüngere Professorinnen und Professoren eine höhere Affinität zum OA-Publizieren haben als ältere. Fest steht jedoch, dass die Freiheit von Doktoranden für die Veröffentlichung ihrer Forschungsergebnisse deutlich geringer ist. Während sie die Open-Access-Bewegung durchaus unterstützen, unterliegen sie aber wohl doch öfter den Zwängen, die sich aus den Vorgaben an den Lehrstühlen und Instituten ergeben, zumindest bei Veröffentlichungen in den Fachzeitschriften. In der zweiten Phase des Projekts wird dies bei der Entwicklung des Service-Gesamtkonzepts berücksichtigt.

Die Ergebnisse der Befragungen belegen zuvor vermutete Tendenzen und tragen dazu bei, bisherige Erfahrungen und Einschätzungen besser quantitativ zu belegen.

Insgesamt zeigt sich, dass zentrale Beratungsangebote und Publikationsservices an den Einrichtungen zu wenig bekannt sind. An dieser Stelle sind zum Beispiel die Universitätsbibliotheken und Akteure wie Open-Access-Beauftragte gefordert, auf Strukturen hinzuwirken, Ingenieurinnen und Ingenieure besser zu informieren. Konkrete Maßnahmen dienen schließlich dazu, den OA-Anteil am Gesamtpublikationsaufkommen zu erhöhen und damit die Sichtbarkeit und den freien Zugang zu Forschungsergebnissen zu verbessern.

5. Ausblick

Die Ergebnisse der Umfragen fließen in den zweiten Teil des OpenIng-Projekts ein. Es hat sich gezeigt, dass die Publikationsservice-Angebote zu wenig bekannt sind. Um die Zielgruppe besser zu informieren, wird ein Service-Gesamtkonzept für Forscherinnen und Forscher entwickelt, das an anderen Universitäten und Hochschulen nachgenutzt werden kann. In dem Konzept werden die bisherigen Erfahrungen der Workshops mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aufgenommen, die an den Universitäten Braunschweig, Darmstadt und Stuttgart an ingenieurwissenschaftlichen Instituten im Rahmen des Projektes durchgeführt werden. Die ersten Veranstaltungen haben gezeigt, dass die Forschenden großes Interesse an den Angeboten haben und im Anschluss Beratungen in Anspruch nehmen. In den Diskussionen stellte sich heraus, dass oft nur der hybride Weg als OA wahrgenommen wird. Es herrscht bei den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eine große Handlungsunsicherheit, die nur zum Teil durch gezieltere Informationen in Workshops aufgefangen werden kann. Über das Projekt hinaus muss es das Ziel sein, nicht nur die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sondern auch die Entscheidungsträger von der Bedeutung von OA zu überzeugen. Daher ist das OpenIng-Projekt bestrebt, auch im Austausch mit den TU9-OA-Beauftragten ein Problembewusstsein zu schaffen.16 Darüber fließen die Erfahrungen der Befragung auch auf europäischer Ebene ein. Die Task Force Open Science (TFOS) der Conference of European Schools for Advanced Engineering Education and Research (CESAER)17 führt eine ähnliche Befragung an europäischen technischen Universitäten durch und greift auf die Projekt-Ergebnisse zurück.

Neben dieser informativen und politischen Handlungsebene wird als erste konkrete Maßnahme im Projekt unter dem Namen “Go Open!” ein Zweitveröffentlichungsservice entwickelt, um den Autorinnen und Autoren einen vereinfachten Publikationsworkflow anzubieten und den Anteil an Green OA zu erhöhen. Dafür werden an der ULB Darmstadt eine Instanz der Plattform Dissemin18 gehostet und Schnittstellen zu den institutionellen Repositorien eingerichtet. Über Dissemin können sich die Autorinnen und Autoren anzeigen lassen, welche Zeitschriftenaufsätze für eine Zweitveröffentlichung geeignet sind oder demnächst, nach Ablauf der Embargofristen, für Green OA in Frage kommen. Für die Rechteprüfung wird SHERPA/RoMEO19 genutzt, für die Aggregierung der Metadaten BASE20, CrossRef21 und Zotero22 (für die DOI).

Die Vorstellung der erarbeiteten Tools und Konzepte des OpenIng-Projekts ist im Rahmen der Open-Access-Tage 2019 geplant.

Literaturverzeichnis

- Baldwin, Virginia A.: Open Access Availability of Publications of Faculty in Three Engineering Disciplines. Library Conference Presentations and Speeches. Paper 68, <http://digitalcommons.unl.edu>, <http://digitalcommons.unl.edu/library_talks/68>, Stand: 21.03.2019.

- DFG-Fachsystematik der Wissenschaftsbereiche, Fachgebiete, Fachkollegien und Fächer für die Amtsperiode 2016-2019, <http://www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/gremien/fachkollegien/amtsperiode_2016_2019/fachsystematik_2016-2019_de_grafik.pdf>, Stand: 21.03.2019.

- Fry, Jenny; Oppenheim, Charles; Probets, Steve: PEER Behavioural Research: Authors and Users vis-à-vis Journals and Repositories. Baseline report, September 2009, <http://www.peerproject.eu/fileadmin/media/reports/Final_revision_-_behavioural_baseline_report_-_20_01_10.pdf>, Stand: 21.03.2019.

- Mischo, William H.; Schlembach, Mary C.: Open Access Issues and Engineering Faculty Attitudes and Practices, in: Journal of Library Administration 51 (5-6), 04.10. 2011, S. 432-454. Online: <https://doi.org/10.1080/01930826.2011.589349>

- Němečková, Lenka; Adlerova, Iva: Engineers: What do they Read and Write, and Why? – A Survey of Information and Publishing Behavior of Academic Engineers. Proceedings of the IATUL Conferences. Paper 4, <http://docs.lib.purdue.edu/iatul/2017/research/4>, Stand: 21.03.2019.

- Rosenke, Nicole; Weber, Markus; Hoppe, Christian u.a.: OpenIng – Open Access und Open Educational Ressources in den Ingenieurwissenschaften: Ergebnisse aus der bundesweiten Umfrage. Zenodo, 08.05.2019, <http://doi.org/10.5281/zenodo.2654568>

- Weber, Markus: OpenIng – Open Access und Open Educational Resources in den Ingenieurwissenschaften. Zenodo, October 2018, <http://doi.org/10.5281/zenodo.1441136>

- Xia, Jingfeng: A longitudinal study of scholars attitudes and behaviors toward open‐access journal publishing, in: Journal of Library Administration 61 (3), 08.01.2010, S. 615-624. Online: <https://doi.org/10.1002/asi.21283>

1 Fry, Jenny; Oppenheim, Charles; Probets, Steve: PEER Behavioural Research: Authors and Users vis-à-vis Journals and Repositories. Baseline report, September 2009, <http://www.peerproject.eu/fileadmin/media/reports/Final_revision_-_behavioural_baseline_report_-_20_01_10.pdf>, Stand: 21.03.2019.

2 Němečková, Lenka; Adlerova, Iva: Engineers: What do they Read and Write, and Why? – A Survey of Information and Publishing Behavior of Academic Engineers. Proceedings of the IATUL Conferences. Paper 4, <http://docs.lib.purdue.edu/iatul/2017/research/4>, Stand: 21.03.2019.

3 Baldwin, Virginia A.: Open Access Availability of Publications of Faculty in Three Engineering Disciplines. Library Conference Presentations and Speeches. Paper 68, 01.06.2010, <http://digitalcommons.unl.edu/library_talks/68>, Stand: 21.03.2019.

4 Mischo, William H.; Schlembach, Mary C.: Open Access Issues and Engineering Faculty Attitudes and Practices, in: Journal of Library Administration 51 (5-6), 04.10. 2011, S. 432-454. Online: <https://doi.org/10.1080/01930826.2011.589349>

5 Ebd., S. 1.

6 Ebd., S. 16.

7 Xia, Jingfeng: A longitudinal study of scholars attitudes and behaviors toward open‐access journal publishing, in: Journal of Library Administration 61 (3), 08.01.2010, S. 615-624. Online: <https://doi.org/10.1002/asi.21283>

8 Vgl. z.B. RWTH Aachen, www.fb3.rwth-aachen.de, <http://www.fb3.rwth-aachen.de/cms/Bauingenieurwesen/Die-Fakultaet/Profil/~hbwo/Blended-Learning-und-ETS/>, Stand: 21.03.2019 und TU Darmstadt, <https://www.openlearnware.de/section/iw>, Stand: 21.03.2019.

9 Hintergrundinformationen zu OpenIng sind über den Projekt-Blog abrufbar: <http://www.opening-projekt.de>, Stand: 21.03.2019.

10 Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat mit dem Themenfeld „Aspekte der Verbreitung von Open Access“ der Fördermaßnahme „Digitaler Wandel in Bildung, Wissenschaft und Forschung“ der „Förderrichtlinie des freien Informationsflusses in der Wissenschaft – Open Access“ vom 01.06.2017 dafür die Voraussetzungen geschaffen.

11 Rosenke, Nicole; Weber, Markus; Hoppe, Christian u.a.: OpenIng – Open Access und Open Educational Ressources in den Ingenieurwissenschaften: Ergebnisse aus der bundesweiten Umfrage. Zenodo, 08.05.2019, <http://doi.org/10.5281/zenodo.2654568>

12 Weber, Markus: OpenIng – Open Access und Open Educational Resources in den Ingenieurwissenschaften. Zenodo, October 2018, <http://doi.org/10.5281/zenodo.1441136>

13 DFG-Fachsystematik der Wissenschaftsbereiche, Fachgebiete, Fachkollegien und Fächer für die Amtsperiode 2016-2019, <http://www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/gremien/fachkollegien/amtsperiode_2016_2019/fachsystematik_2016-2019_de_grafik.pdf>, Stand: 21.03.2019.

14 Die Ergebnisse der Befragung unter den OA- und OER-Fachleuten wurden im OpenIng-Blog veröffentlicht: <www.opening-projekt.de>, <http://opening-projekt.rz.tu-bs.de/index.php/2018/10/16/ergebnisse-der-expert_innen-befragung/>, Stand: 22.03.2019.

15 Vgl. <http://www.openaccessweek.org/page/about>, Stand : 22.03.2019.

16 So wurde zum Beispiel von den Open-Access-Beauftragten der TU9-Universitäten eine Beschlussvorlage zu einheitlichen Kriterien für Open-Access-Publikationsfonds erarbeitet. Diese Kriterien wurden von den Leitungen der TU9-Universitäten im Dezember 2018 verabschiedet. Die entsprechende Handreichung ist auf der TU9-Website abrufbar: o. A.: TU9-Handreichung zu einheitlichen Kriterien für Open-Access-Publikationsfonds. 12/2018, www.tu9.de, <http://www.tu9.de/media/docs/tu9/TU9-Handreichung_einheitliche_Kriterien_OA-Publikationsfonds_12-2018.pdf>, Stand: 21.03.2019.

18 Vgl. <https://dissem.in/>, Stand: 22.03.2019

19 Vgl. <http://www.sherpa.ac.uk/romeo/index.php>, Stand: 22.03.2019.

20 Vgl. <https://www.base-search.net/>, Stand: 22.03.2019.

21 Vgl. <https://www.crossref.org/>, Stand: 22.03.2019.

22 Vgl. <https://www.zotero.org/>, Stand: 22.03.2019.