Quo vadis, FaMI-Ausbildung? Gemeinsam die Zukunft des FaMI gestalten
Analoges Hands-on-Lab auf dem 7. Bibliothekskongress 2019 in Leipzig
1998 trat die Ausbildungsordnung für den Beruf des Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste in Kraft. Ungeachtet der Veränderungen von Arbeitsinhalten und Tätigkeitsfeldern der Fachangestellten in den letzten zwei Jahrzehnten gab es keine Aktualisierungen der Ausbildungsordnung der FaMIs – auch keine, die nur den medialen und digitalen Wandel aufgriffen.
Dem steht gegenüber, dass in einer Mehrzahl von Bibliotheken bereits neue bzw. andere Tätigkeiten für FaMIs entstanden sind.1
In gewisser Weise verschärfen der demografische Wandel, der Wettbewerb um Auszubildende und ein auch in Bibliotheken drohender Fachkräftemangel die Notwendigkeit eines zeitgemäßen attraktiven Berufsbildes zusätzlich. Mit diesem alle Berufsgruppen in Bibliotheken tangierenden Problem befassten sich bereits der dbv Baden-Württemberg mit einer Umfrage sowie aktuell die AG Personalentwicklung der BID.
In der Berufsöffentlichkeit und in regionalen Ausbildergremien wurde seit längerem das veränderte Arbeitsumfeld von FaMIs in der Bibliothek mit seinen Auswirkungen auf benötigte Kompetenzen, Kenntnisse und Fertigkeiten thematisiert. Diese Wünsche und Anregungen aufgreifend hat der BIB im vergangenen Jahr2 ein Schreiben an das Bundesinstitut für Berufsbildung in Bonn gerichtet mit dem Ziel, eine Aktualisierung der FaMI-Ausbildungsordnung anzustoßen. Darauf basierend prüfen derzeit die Sozialpartner des öffentlichen Dienstes und der Privatwirtschaft, auf der Arbeitnehmerseite ver.di, ob ihrerseits ein Modernisierungsbedarf gesehen wird.
Die Veranstaltung der Kommission Ausbildung und Berufsbilder des BIB auf dem Bibliothekskongress 2019 sollte ein erster öffentlicher Schritt sein, auf den Wandel im Berufsbild aufmerksam zu machen und vorrangig den in der Praxis gesehenen Modernisierungsbedarf zu ermitteln. Und das Interesse war groß, zu groß für den eigentlich großen Raum. 60 Personen hatten die Gelegenheit, in einem spontan noch um einen Diskussionstisch erweiterten World Cafe ihre Sicht auf den Wandel des FaMI-Berufsbildes einzubringen. Weitere Interessierte konnten leider nicht teilnehmen.
Anwesend waren überwiegend für Ausbildung oder Personaleinsatz verantwortliche Kolleginnen und Kollegen sowie einzelne Azubis, Lehrkräfte und ausgebildete FaMIs. Sie diskutierten an Thementischen in drei Runden die nachfolgenden Fragestellungen:
1. Tätigkeitsfelder / Kompetenzen
- Welche Tätigkeitsfelder sehen Sie für FaMIs in öffentlichen und wissenschaftlichen
- Bibliotheken?
- Sehen Sie eine Verschiebung? Wenn ja, wohin?
- Welche Sachkompetenzen werden dafür gebraucht?
- Welche weiteren Kompetenzen wären wichtig?
2. Inhaltlicher Änderungsbedarf
- Welche Ausbildungsinhalte vermissen Sie gänzlich?
- Welche Inhalte müssten an die modernen Anforderungen (z.B. durch Digitalisierung)
- angepasst werden?
- Welche Ausbildungsinhalte halten Sie für überflüssig/nachranging?
3. Struktureller Änderungsbedarf
- Worin sehen Sie Stärken und Schwächen des Fachrichtungsmodells?
- Halten Sie eine Differenzierung zwischen öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken für notwendig? Warum bzw. warum nicht?
- Sollen andere Elemente moderner Ausbildungsordnungen übernommen werden – z.B. gestreckte Abschlussprüfung, Ausweisung von Zusatzqualifikationen (z.B. im IT-Bereich, Bibliothekspädagogik)?
- Können die Inhalte ggf. besser in einer Stufenausbildung oder in einer noch stärker modular orientierten Struktur vermittelt werden?
Auch wenn das Zeitfenster von zwei Stunden, abgesehen davon, dass alle die dringende Notwendigkeit einer Modernisierung sahen, keine abschließenden Ergebnisse ermöglichte, so zeigten sich doch inhaltliche und strukturelle Tendenzen für den Bedarf, die FaMI-Ausbildung zu ändern.
Änderungsbedarf bei Tätigkeitsfeldern, Kompetenzen und Inhalten
Deutlich wurde, ungeachtet nach wie vor zu erledigender Aufgaben in der Erwerbung, Erschließung und Bereitstellung, eine Schwerpunktverschiebung der Tätigkeiten.
Das veränderte Selbstverständnis von Bibliotheken, der zunehmende Anteil digitaler Medien und Datenbanken, Outsourcing und die Übertragung von Arbeitsvorgängen auf die Nutzer verändern Arbeitsvorgänge und Bereitstellungsformen, schaffen neue Tätigkeitsgebiete u.a. bei der Vermittlung von Informationskompetenz, im Bereich der Leseförderung und neuer Veranstaltungsformate wie z.B. Makerspaces.
Um diese ausfüllen zu können, bedarf es neu aufzunehmender bzw. verstärkter Vermittlung von Kenntnissen u.a. in Bezug auf
- IT-Grundlagen, Gestaltung von Websites,
- Social-Media-Kanäle,
- Lizenzverwaltung, Datenmanagement, Langzeitarchivierung,
- Veranstaltungsmanagement,
- Präsentationstechniken,
- Medienpädagogik, Medien- und Informationskompetenzvermittlung.
Herausgehoben wurde zudem die zunehmende Bedeutung der erforderlichen Sozial- und Methodenkompetenz wie gute Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, Organisationsfähigkeit und interkulturelle Kompetenzen.
Struktureller Änderungsbedarf
Etwas uneinheitlich war die Einstellung der Anwesenden zum Fachrichtungsmodell. Von den derzeit etwa 600 bundesweit ihre Ausbildung beginnenden Nachwuchskräften wählen ungefähr 80% die Fachrichtung Bibliothek, weitere größere Anteile entfallen auf die Fachrichtungen Archiv und IuD; nur sehr wenige Ausbildungsplätze gibt es in der Medizinischen Dokumentation und für Bildagenturen. In den Diskussionsrunden vertraten einige Teilnehmer die Meinung, dass durch die insgesamt fünf Fachrichtungen eine wünschenswerte beizubehaltende Breite erreicht würde. Die Mehrheit aber tendierte zu weniger Fachrichtungen unter dem FaMI-Dach.
Aufgrund der niedrigen Ausbildungszahlen wurde vor allem die Fortführung der Fachrichtung „Medizinische Dokumentation“ kritisch gesehen.
Für die kleineren Fachrichtungen, denen im Berufsschulunterricht oftmals nicht spezialisiert genug entsprochen werden kann, wurde die Einrichtung von bundesweiten Klassen angeregt.
Aufgrund der überwiegenden Gemeinsamkeiten wurde eine neue zusätzliche Fachrichtungstrennung in öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken mehrheitlich nicht gewünscht, allenfalls Vertiefungsmodule für eine der Bibliothekssparten, um auf Spezifika besser eingehen zu können.
Die grundsätzlich zu begrüßende Möglichkeit, während der Ausbildung praktische Erfahrungen auch in anderen Fachrichtungen sammeln zu können und somit später eine größere Flexibilität bei der Arbeitsplatzwahl zu haben, ist derzeit abhängig von der Ausbildungsstätte. Hier ging die Tendenz der Meinungsäußerungen in Richtung zumindest eines gemäß Ausbildungsordnung verpflichtenden Praktikums in einer Einrichtung einer anderen Fachrichtung.
Eine ausführliche Besprechung von eventuell wünschenswerten Elementen moderner Ausbildungsordnungen wie die Ausweisung und Prüfung von Zusatzqualifikationen nach dem novellierten Berufsbildungsgesetz musste aus Zeitgründen weitgehend unterbleiben.
Zu einer gestreckten Abschlussprüfung, in der die bisherige Zwischenprüfung zu einer ersten Teilprüfung mit Eingang der Bewertung in die Endnote würde, gab es sowohl positive Rückmeldungen als auch Ablehnung von denjenigen, die an einer Zwischenprüfung vorrangig den Trainingseffekt schätzen.
Resümierend belegte die Veranstaltung nicht nur den Bedarf an Diskussionen über und zur Aktualisierung der FaMI-Ausbildungsordnung, sondern zeigte die Notwendigkeit vertiefender Gesprächsrunden auch außerhalb bibliothekarischer Großveranstaltungen auf, um eine breite Meinungsvielfalt in eine eventuelle Modernisierung der Ausbildungsordnung einfließen zu lassen. Sobald die Neuordnungsplanungen konkreter werden, sind seitens des Berufsverbandes BIB u.a. Workshops und Expertenrunden geplant.