Diskussion
Neuer Archipel oder gemeinsame Verstetigung? Wie Landesinitiativen zum Forschungsdatenmanagement und die Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) verzahnt werden können - und müssen!
1. Einleitung
Der Rat für Informationsinfrastrukturen (RfII) empfiehlt die Bildung einer Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI), um digitale Forschungsdaten vernetzt und vor allem dauerhaft verfügbar zu machen. Mit dem entsprechenden Beschluss der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK), der Vergabe des Direktorats, der DFG-Vernetzungskonferenz im Mai 2019 und der ersten Ausschreibungsrunde für Konsortien im Juni 2019 ist der Grundstein dieser NFDI gelegt. Allerorten sind Formierungsaktivitäten der fachlich oder methodisch ausgerichteten NFDI-Konsortien zu beobachten – bei denen entgegen des Aufrufs des RfII oftmals jedoch eher die Infrastrukturanbieter und weniger die wissenschaftlichen Communities die Treiber sind. Gleichzeitig ist ungeklärt, wie die Hochschulen in die NFDI-Prozesse eingebunden werden sollen – sie können zwar nach den Vorgaben Antragsteller sein, sofern sich einzelne fachliche Einheiten einer Hochschule an einem Konsortium beteiligen. Wie jedoch Hochschulen als gesamte Institutionen und mitsamt ihrer für diesen Prozess einer Nationalen Forschungsdateninfrastruktur nötigen Basisangebote und -services integriert werden sollen, ist eine bislang ungeklärte Frage.
Gleichzeitig sind andere Initiativen zur längerfristigen Schaffung von Angeboten zum Forschungsdatenmanagement (FDM) entstanden: Fünf Bundesländer haben bereits Verbünde zum FDM organisiert, weitere drei Landesverbünde sind im Aufbau begriffen. Die bereits operierenden Verbünde bestehen aus den Hochschulen der Bundesländer. Im Rahmen dieser Verbünde zeigt sich in der konkreten Praxis, dass viele Kern-Services des FDMs generischer Natur sind. Daher lassen sie sich auch gemeinsam anbieten – und verlangen gleichzeitig Dauerhaftigkeit, Verlässlichkeit und damit Verstetigung.
Landesinitiativen schaffen somit Grundlagen für mehr oder minder dauerhafte Forschungsdateninfrastrukturen an den primären Orten der Forschung und der forschungsnahen Ausbildung, den Hochschulen – ohne dass diese bislang systematisch oder konzeptionell in Entwicklungen rund um die NFDI und die fachlichen Konsortien eingebunden wären. Obwohl komplementäre Vorteile auf der Hand liegen, scheint sich hier eher ein neuer Archipel zu entwickeln: Die NFDI wird als eine im Wesentlichen über den Bund finanzierte Institution neben die Landesinfrastrukturen für FDM gesetzt – statt sie systematisch zu verzahnen und komplementäre Verstetigungsperspektiven zu schaffen. Die Frage nach den jeweiligen Rollen und dem Verhältnis von NFDI und Landesinitiativen wird deshalb zunehmend nicht nur von den Landesinitiativen, sondern auch von der Hochschulrektorenkonferenz adressiert.
Mit unserem Beitrag vertreten wir die Position, dass FDM-Landesinitiativen und NFDI sich nicht nur produktiv ergänzen könnten, sondern vielmehr ergänzen müssen. Beide können komplementär ineinandergreifen und so insbesondere die Hochschulen einbinden und höchste Qualität und Vernetzung in der Fläche hervorbringen. Um dies zu untermauern, betrachten wir im Folgenden kritisch diese Entwicklungen und Tendenzen zu Hochschulen und Landesinitiativen (Abschnitt 2) sowie zur NFDI (Abschnitt 3) und stellen in Abschnitt 4 drei Thesen zur Diskussion, wie und zu welchem Zweck aus unserer Sicht Landesinitiativen und NFDI ineinandergreifen sollten und welche konkreten Handlungsvorschläge sich hierfür anbieten.
2. Hochschulen und Landesinitiativen
2.1. Potenziale der Hochschulen – ungenutzt?
Hochschulen sind bislang in die Prozesse rund um die NFDI nicht unmittelbar eingebunden. Nach den Konkretisierungen durch die DFG können Hochschulen zwar prinzipiell Antragstellende und Beteiligte an NFDI-Konsortien sein, sofern und soweit bestimmte fachlich fundierte oder methodisch fundierte Einrichtungen oder Institute oder einzelne Forschende der jeweiligen Hochschule an einem Fachkonsortium beteiligt sind. Wie jedoch die Institution Hochschule als Ganzes mit ihren gesamten Angeboten in Lehre und Forschung in diesen Prozess eingebunden ist, ist bisher ungeklärt.
So hat der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz Peter-André Alt betont, wie sehr Hochschulen Orte des Austauschs zwischen den Disziplinen sind und damit Kooperationsräume für die Fachgemeinschaften darstellen.1 Vor Ort an den Hochschulen ergebe sich ein erhebliches Maß an Vernetzung im Austausch von Expertise und Infrastrukturmodellen. Wie Alt weiter betont, müssen die Länder solche Formen der Zusammenarbeit unbedingt unterstützen und die Hochschulen dadurch ertüchtigen, dass sie an der NFDI teilnehmen können. Gleichzeitig sind es Hochschulleitungen, die die gesamten Hochschulen als Institutionen dazu befähigen müssen, solche fachlichen Initiativen und fachlich wertvollen Datenmanagementeinrichtungen zu unterstützen. Alt betont entsprechend, dass die „NFDI nur dann ein Erfolgsmodell sein werden, wenn Fach-Communities, Infrastruktureinheiten, Hochschulleitungen und Länder sie gemeinsam dazu machen“. Entsprechend benötigen Hochschulen einen finanziellen Aufwuchs für ihre Digitalisierung, d.h. es sind erhebliche staatliche Investitionen in die digitale Ausstattung der Hochschulen notwendig. Darüber hinaus benötigen die Infrastruktureinrichtungen Personal mit digitalen Kompetenzen, um Services und leicht zugängliche, vertrauenswürdige Beratung vor Ort zur Verfügung zu stellen und den Kontakt zu den Forschenden aufrecht zu erhalten.
2.2. FDM-Landesinitiativen
In gewisser Weise sind zumindest einige Hochschulen bislang über die Landesinitiativen auf diese Art und Weise eingebunden. Allerdings existieren noch längst nicht in allen Bundesländern FDM-Landesinitiativen.2
Stark generalisiert lassen sich die Aufgaben der Landesinitiativen wie folgt zusammenfassen:
- Landesinitiativen bündeln die Handelnden an den beteiligten Hochschulen. Das sind allen voran die Forschenden, aber eben auch die Forschungsabteilungen, die große Drittmittelanträge unterstützen, das sind die Expertinnen und Experten in den Bibliotheken und Rechenzentren, aber auch in wissenschaftsnahen Infrastrukturen, die genau an der Schnittstelle zwischen Forschung und Infrastruktur arbeiten und nur gemeinsam die digital gestützte Forschung voranbringen.
- Landesinitiativen bieten Bottom-up-Services und Beratung mittels konkreter Ansprechpersonen direkt an den Standorten an. Durch den Standortvorteil sind sie für die Forschenden leicht zugänglich und gelten als vertrauenswürdig.
- Die Hochschulen innerhalb der Landesinitiativen bereiten gemeinsam Drittmittelanträge vor, nicht zuletzt gemeinsam mit den Forschenden, aber eben auch hochschulübergreifend in Kooperationen, vor allem auch Anträge größerer Forschungsgruppen, wie beispielsweise Sonderforschungsbereichen, Landesexzellenzinitiativen und ähnlichen.
- Die Landesinitiativen organisieren vernetzende Tagungen, wie etwa die E-Science-Tage in Heidelberg, bei denen sie die FDM-Community und die Forschenden zusammenbringen.
- Hinsichtlich der FDM-Community leisten Landesinitiativen einen wesentlichen Beitrag, indem sie das FDM-Personal vernetzen und ein hohes Maß an niederschwelligem Erfahrungsaustausch und praxisorientiertem Wissenstransfer ermöglichen. Zwar ist auch eine Vielzahl an bundesweiten und internationalen Vernetzungsinitiativen vorhanden, durch die regionale Kooperation aber ist hier eine leichtere Zugänglichkeit und schnellerer Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer und eine höhere Praxisorientierung gegeben. Des Weiteren organisieren Landesinitiativen Fortbildungen für das FDM-Personal.
2.3. Fachlicher Ausbau – das Beispiel Baden-Württemberg
Die Landesinitiativen sind zwar grundsätzlich fachübergreifend angelegt, unterstützen jedoch gerade auch den fachlichen Ausbau. Konkretisiert hat dies insbesondere Baden-Württemberg, das einen gezielten fachlichen Ausbau seiner Landesinitiative vornimmt, indem vier sogenannte „Science Data Centers“ aufgebaut werden. Dabei handelt es sich um sogenannte Landesbausteine für die NFDI-Konsortien, mit denen diese angeschoben werden sollen.3 Die Landesinitiative bwFDM begreift sich damit als einen wichtigen Partner für den Aufbau der NFDI, indem sie auf Landesebene diese Datenzentren schafft. Dies ist ein Beispiel dafür, wie aus einer landesweiten, zunächst fachübergreifenden Verbindung substanzielle, durch das Land finanzierte Unterstützung für landesweite Datenzentren geschaffen werden kann. Dort können bereits Landesinitiativen und NFDI ineinandergreifen. Die Unterstützung aus der hessischen Landesinitiative HeFDI für die Konsortiumsinitiativen NFDI4Ing und NFDI4Culture ist ein ähnliches Beispiel.
3. NFDI
In diesem Jahr werden die ersten Bausteine für den Aufbau der NFDI gesetzt, deren Eckpunkte hinreichend bekannt sind:4 Die NFDI wird als polyzentrisches Netzwerk geplant – ein gesteuerter Prozess, der nachfrageorientiert sein und ein Kompetenznetzwerk darstellen soll, ein verteilter Verbund mit Knoten, welcher aus Nutzungssicht ein erhebliches Diensteportfolio anbieten soll. Zentral ist bei der NFDI, dass ihr Aufbau bedarfsgetrieben erfolgen soll, was Sprech- und Handlungsfähigkeit der Fachgemeinschaft voraussetzt. Ausgelobt sind bis zu 30 NFDI-Konsortien, in denen Fachgemeinschaften und Infrastrukturakteure auf Augenhöhe zusammenarbeiten sollen.
Der RfII hat in diesem Prozess eine Reihe von Empfehlungen an unterschiedliche Handlungsebenen ausgesprochen, konkret an Bund und Länder, an Wissenschaftsorganisationen, aber auch an die Forschenden selbst und deren Fachcommunities.5 Es sind jedoch so gut wie keine Forderungen und Empfehlungen an die Hochschulen ergangen. Insgesamt definiert der RfII hier somit zwar hochgradig fundierte fachliche Forderungen in Hinblick auf eine Forschungsdateninfrastruktur. Gleichwohl fehlen damit allerdings diejenigen, die als Institution einen erheblichen Teil der dazugehörigen Praxis tragen und somit die Basis allen Handelns überhaupt erst ermöglichen: Denn in der bisherigen Praxis sind es zumeist die Hochschulen, das heißt Bibliotheken, Rechenzentren und Forschungsverwaltungen sowie deren Verbünde, die konkrete Unterstützung für das FDM, die dazugehörige Beratung und entsprechende Schulungen erbringen. Sie erbringen ebenso die konkrete Interaktion und Vernetzung mit den Forschenden vor Ort. Dies lässt sich besonders in den Landesinitiativen ablesen, gilt aber letztlich für alle Hochschulen: Dort vollzieht sich ein Großteil der konkreten FDM-Unterstützung, zum Teil aber wenig sichtbar und nicht immer vernetzt. Es gibt nur wenige Ausnahmen von dieser Praxis, d.h. gut vernetzte Teilwissenschaften: Dies sind die Digital Humanities, die Astrophysik, die Geo- und Klimaforschung sowie Teile der Biologie, in denen ein erheblicher Teil dieser konkreten FDM-Unterstützung hochschulübergreifend in Netzwerken erbracht wird.
Dieser Kontrast von Forderungen, Empfehlungen und konkreter Praxis wird auch durch die Finanzierung der NFDI verdeutlicht: Die NFDI wird finanziert mit bis zu 90 Mio. € im Jahr für bis zu 30 Konsortien. Der ursprünglich anvisierte dreistellige Millionenbetrag ist damit bei weitem nicht erreicht. Aus diesen Mitteln werden auch die zentralen NFDI-Strukturen finanziert.6 Verteilt auf 30 Konsortien ergeben sich daraus im Durchschnitt 3 Mio. € pro Konsortium. Bei ca. 5 mittelempfangenden Institutionen in einem Konsortium ergeben sich daraus durchaus üppig erscheinende 600.000 € im Jahr für Personal- und Sachkosten an einem Standort. Viele große Standorte sind sogar an mehreren Konsortien beteiligt, wodurch sich die Zahl der Mittelempfänger vermutlich weiter reduziert. Von den in Deutschland existierenden ca. 100 Universitäten, über 200 Fachhochschulen und etwa ebenso vielen relevanten außeruniversitären Forschungseinrichtungen werden also die meisten leer ausgehen. Mit dem hier beschriebenen Finanzvolumen wird deutlich, dass so kaum zusätzliches Geld für FDM in die Fläche gebracht werden kann und sich im Hinblick darauf, was ausgehend von den Bedarfen an Personal und Dienste benötigt wird, relativ wenig an Angebot realisieren lässt.
Sowohl der organisatorische als auch der finanzielle Rahmen der NFDI sind somit nur bedingt dazu geeignet, die Digitalisierung der Forschung und der Hochschulen in der Fläche nachhaltig zu unterstützen. Es wird ein ausgefeilterer Plan für die Verteilung der Ressourcen benötigt, um höchste Qualität in die Fläche zu bringen, zu vermitteln und zu unterstützen. Dass diese Lücke die Landesinitiativen füllen müssen, könnte dem Bund klar gewesen sein, als die 90:10-Bund-Länder-Finanzierung der 90 Mio. € für die NFDI verabschiedet wurde. Dies können die Länder flächendeckend und in hoher Qualität jedoch nur leisten, wenn koordinierte Landesinitiativen in allen Bundesländern existieren und auch finanziert werden. Konsequenterweise sollten demnach nicht nur die Fachdisziplinen in der NFDI Berücksichtigung finden, sondern auch die Länder mit dem Ziel eines dauerhaften und nachhaltigen Ausbaus ihrer Forschungsdatenaktivitäten an den einzelnen Hochschulen. Hierfür sind letztlich zusätzliche Ressourcen erforderlich.
4. Können NFDI und Landesinitiativen ineinandergreifen? Drei Thesen
Nach unserer Wahrnehmung können NFDI und Landesinitiativen ideal ineinandergreifen, vielmehr müssen sie es nach den obigen Ausführungen sogar, um aus der NFDI ein Erfolgsmodell zu machen. Hierzu müssen sie komplementär sein, es muss ausreichend Kenntnis voneinander bestehen, die Hochschulen müssen ernsthaft in beide Stränge integriert sein und die finanzielle Förderung für Forschungsdateninfrastrukturen muss dauerhaft sein.
Vor dem Hintergrund dieser Rahmenbedingungen vertreten wir nachfolgend drei Thesen:
1. Landesinitiativen sind nah an den Forschenden, die NFDI-Konsortien befinden sich jedoch bisher vor allem nah an den großen Infrastrukturen.
Der Kontakt zu den Forschenden, also zwischen Infrastruktur und Forschenden, passiert in der Regel bottom-up an den Hochschulen in Form von Awareness Rising, konkreter, individueller und bedarfsorientierter Beratung und dem Angebot generischer Basisdienstleistungen durch die infrastrukturversorgenden Einrichtungen. Landesinitiativen bündeln diese Aktivitäten und befinden sich dadurch auf einer höheren Abstraktionsebene, sind jedoch immer noch recht nah an der Basis. Die NFDI und auch ihr europäisches Pendant European Open Science Cloud (EOSC7) verfolgen eher einen Top-down-Ansatz. Dies zeigt sich dadurch, dass die bisherigen NDFI-Konsortien stark infrastrukturgetrieben sind (zum Teil gemeinsam mit Fachverbänden – doch auch diese erreichen oft bei weitem nicht alle Forschenden).
Diese beiden Ansätze miteinander zu verbinden kann unserer Ansicht nach erst durch eine systematische Verzahnung von NFDI und Landesinitiativen gelingen, indem klare Schnittstellen für einen Austausch zwischen ihnen geschaffen werden. Die Aufgabenteilung ist entsprechend komplementär vorzunehmen.
2. Hochschulen in der Fläche können besser über die Landesinitiativen erreicht werden als über die NFDI.
Zunächst ist festzustellen, dass viele Hochschulen im FDM nach wie vor am Anfang stehen. Dies gilt vor allem auch für Hochschulen für angewandte Wissenschaften, an denen einerseits zunehmend Forschungsdaten produziert werden, die gesichert und zur Nachnutzung zur Verfügung stehen sollten, andererseits zumeist noch keinerlei Strukturen für FDM vorhanden sind. Das heißt, hier muss erst noch ein Prozess initiiert werden, um FDM an diesen Institutionen systematisch zu unterstützen. Es besteht also dringender Handlungsbedarf an den Hochschulen, wie von Herrn Alt aus Sicht der HRK formuliert (vgl. oben). Gleichwohl besteht die Gefahr, dass sich eine Schere im Wissenschaftssystem öffnen wird zwischen einzelnen FDM-Leuchttürmen, die in Konsortien der NFDI stark verankert sind, und der weiteren Hochschullandschaft, dem „long tail“ der FDM-Unterstützung. Im Sinne einer gleichwertig hohen Qualität der Forschung am gesamten Wissenschaftsstandort Deutschland ist dies nicht wünschenswert. Sofern sich ein ganz erheblicher Teil der FDM-Förderung nur auf die Arbeit der NFDI-Konsortien richtet, besteht zudem eine Gefahr für die Einheit aus Lehre und Forschung, die ein wesentliches Merkmal des deutschen Wissenschaftssystems darstellt. Im Rahmen einer forschungsorientierten Lehre muss auch FDM in die Lehre integriert und dessen Methoden vermittelt werden. Wenn das Thema FDM in der universitären Lehre zu wenig präsent ist, wird sowohl der angestrebte digitale Kulturwandel als auch die Gewinnung fachlicher data scientists erschwert.
Schließlich wird die sogenannte „third mission“, der Transfer und die gesellschaftliche Verantwortung als Aufgabe der Hochschulen, von allen Hochschulen in der Fläche wahrgenommen und ist nicht zuletzt auch mit der Zugänglichmachung von Forschungsdaten verbunden. Dies zu unterstützen muss ebenfalls Aufgabe der NFDI sein. Entsprechend müssen alle Hochschulen die Möglichkeit haben, sich in diese Forschungsdateninfrastruktur einzubinden, um dieser Aufgabe gerecht zu werden.
Hierfür ist es notwendig, Aufgaben bzgl. FDM und Forschungsdateninfrastruktur an den Hochschulen zu definieren und aktiv an die Hochschulen und die Landesinitiativen zu delegieren. Darüber hinaus ist darauf hinzuwirken, dass alle Bundesländer FDM-Landesinitiativen auflegen, da bislang nur rund die Hälfte der Bundesländer in solche Prozesse involviert ist und diese zudem sehr heterogen aufgestellt und ausgestattet sind.
3. Zur Idee der NFDI als polyzentrisches Netz: Eine tatsächlich nationale Dateninfrastruktur kann nur dann gut funktionieren, wenn nicht nur Fachkonsortien, sondern auch Landesinitiativen und Hochschulen darin strukturell integriert sind.
Fachübergreifende Querschnittsthemen, die aktuell in den zahlreichen eher ungewöhnlichen Konsortiumsinitiativen, wie z.B. „Competencies4NDI“ zu FDM-Training, „RSE4NFDI“ zu wissenschaftlicher Software, „AI Services for Research Data“ zu künstlicher Intelligenz, „NFDI for Interdisciplinary Research and Collaboration“ oder „NFDI4HPC“ zum Hochleistungsrechnen, adressiert werden, sind ebenfalls Teil des polyzentrischen Netzes und müssen in dieses integriert werden. Gerade die Landesinitiativen und die darin verbundenen Hochschulen können diese fachübergreifenden Bedarfe bedienen. Gleichzeitig werden die darin formulierten Bedarfe, etwa an substanzieller Ausbildung und Schulung zu Data Literacy oder an Sicherung und Vorhaltung von Forschungssoftware, in allen anderen Konsortien benötigt – und insbesondere mit Blick auf die Lehre und Ausbildung zentral an den Hochschulen erbracht. Eine tatsächliche NFDI kann nur dann funktionieren, wenn auch solche fachübergreifenden Anliegen eingebunden sind – und damit die Institutionen und Verbünde, in denen diese Services bereits erbracht werden.
Daher ist es einmal mehr notwendig, Vertreter/innen der Landesinitiativen und der Hochschulen in die Gremien der NFDI, etwa den wissenschaftlichen Senat, prominent einzubinden. Ebenfalls müssen die NFDI-Ausschreibungen für die zweite und dritte Runde weiterentwickelt werden, indem eine Öffnung für nicht-fachliche Konsortien vorgenommen wird bzw. die Landesinitiativen sich direkt einbringen können.
5. Fazit
Die Prozesse und Empfehlungen rund um die NFDI wenden sich bislang an eine Vielzahl von Handelnden im FDM-Umfeld, jedoch bislang kaum an die Hochschulen. Gleichzeitig stehen FDM-Landesinitiativen und NFDI bislang nebeneinander und sind nicht verzahnt, womit das Risiko einer neuen Archipelbildung im Raum steht. Zudem erbringen in der Praxis des konkreten FDM die Infrastrukturen und Forschenden vor Ort an den Hochschulen vielfältige Leistungen für die konkrete, vertrauens- und kontaktbasierte Entwicklung und Umsetzung des FDMs. Hochschulen verfügen damit über eine wichtige Rolle und über erhebliche Chancen und Potenziale für die Digitalisierung der Wissenschaft und damit für die zukünftige Gestaltung der Forschungspraxis; sie bieten die notwendigen Kooperationsräume und gleichzeitig die Vertrauenswürdigkeit vor Ort. Um diese zu realisieren muss die Hochschullandschaft auch in der Fläche bestens ausgestattet sein. Dazu müssen die Länder in die Hochschulen investieren, was zusätzlich die hochgradig gefragte Verstetigung der FDM-Angebote ermöglichen würde. Es bedarf eines Digitalpakts für die Hochschulen. Dafür notwendig sehen wir (i) die Etablierung einer systematischen und komplementären Aufgabenteilung zwischen Konsortien und Hochschulen und ebenso zwischen NFDI und Landesinitiativen; (ii) darauf aufbauend eine systematische Integration der Landesinitiativen und der Hochschulen in eine NFDI sowie (iii) einen flächendeckenden Ausbau der Landesinitiativen und deren systematische Verzahnung. Dies sollten sowohl die NFDI-Akteur/innen – etwa das Expertengremium der DFG –, aber auch die FDM-Landesinitiativen kurzfristig aktiv in die Hand nehmen. Gemeinsames Ziel muss es sein, den gesamten Wissenschaftsstandort Deutschland in bestmöglicher Qualität mit FDM-Infrastruktur auszustatten und die Potenziale der Vernetzung und Verzahnung von Forschung, Lehre und Infrastruktur in idealer Weise zu heben. Nur so kann die notwendige Digitalisierung von Forschung und Lehre auf höchstem Niveau und nachhaltig vorangetrieben werden, um auch international anschluss- und konkurrenzfähig zu bleiben.
1 Nationale Forschungsdateninfrastruktur als Chance für die Hochschulen nutzen!, idw-online.de, 13.03.2019, <https://idw-online.de/de/news712025>, Stand: 11.04.2019.
2 Im Überblick stellt sich die Situation so dar:
- In Baden-Württemberg existiert seit 2014 bwFDM als Landesinitiative, die sich jüngst auch auf eine fachliche Vertiefung in Form von Science-Data-Centers verständigt haben (vgl. 2.3), <https://bwfdm.scc.kit.edu>, Stand: 24.05.2019.
- In Hessen existiert seit 2016 HeFDI – Hessische Forschungsdateninfrastrukturen, mit dem alle 11 staatlich finanzierten Hochschulen des Landes eine gemeinsame Strategie zum Aufbau von Forschungsdateninfrastruktur verfolgen. Zu diesen Hochschulen zählen sowohl die fünf Universitäten des Landes als auch die sechs Hochschulen für angewandte Wissenschaften, <https://www.uni-marburg.de/hefdi>, Stand: 24.05.2019.
- In Nordrhein-Westfalen ist seit 2017 die Landesinitiative NFDI der Digitalen Hochschule NRW vorhanden, bei der bislang 40 Hochschulen eingebunden sind und bei der entstehende NFDI-Konsortien an einzelnen Hochschulen unterstützt werden, <https://fdm-nrw.de>, Stand: 24.05.2019.
- Ebenfalls seit 2017 existiert das Berlin-Brandenburgische Netzwerk Forschungsdaten, bei dem sich regelmäßig die Expertinnen und Experten zum Forschungsdatenmanagement treffen und vernetzen. Dieses Netzwerk erhält allerdings keine Landesfinanzierung, <https://www.forschungsdaten.org/index.php/Netzwerk_Forschungsdaten_Berlin-Brandenburg>, Stand: 24.05.2019.
- Thüringen verfügt seit 2018 über eine Landesinitiative, an der alle Hochschulen in Thüringen beteiligt sind. Die Federführung liegt in Jena, <https://forschungsdaten-thueringen.de/>, Stand: 13.06.2019.
- Hamburg präsentiert seit 2018 die sogenannte „OpenScience-Initative“, bei der auch Forschungsdatenmanagement integriert ist, https://www.hamburg.de/bwfg/openscience/ , Stand: 24.05.2019.
- Bayern verfolgt ebenfalls seit 2018 eine Landesstrategie, die weiter ausgebaut werden soll, <https://www.fdm-bayern.org>, Stand: 24.05.2019.
- Sachsen hat seit 2019 SaxFDM aufgelegt und verbindet dort ebenfalls die Expertise an den Hochschulen des Landes, <https://saxfdm.de/>, Stand: 13.06.2019.
3 Es handelt sich dabei einmal um das „BERD-Center“ (Business and Economic Research Data Center), das eng angebunden ist an die Konsortiumsinitiative „KonsortSWD“. Zweitens wird das „Science Data Center BioDatEn“ für „Bioinformatics, Data & Environment“, gefördert, das stark an „NFDI4life“ erinnert. Das dritte Science Data Center ist MoMaF, das Science Data Center für molekulare Materialforschung, das eng mit NFDI4Ing und NFDI4Chem zusammenarbeiten wird. Für die Geisteswissenschaften wurde das „Nachhaltige Daten-Lebenszyklus Literatur“ (NDLZL) aufgelegt, das eng an Text+ angelehnt ist.
4 <www.dfg.de/nfdi>, Stand:15.04.2019
5 RfII – Rat für Informationsinfrastrukturen: Leistung aus Vielfalt, Empfehlungen zu Strukturen, Prozessen und Finanzierung des Forschungsdatenmanagements in Deutschland, 2016, <http://www.rfii.de/?p=1998>, Stand: 15.04.2019.
6 Dabei handelt es sich um das Direktorat, die Programmpauschalen, die Kosten des Verfahrens, Evaluation und wissenschaftliche Begleitforschung.
7 <https://www.eosc-portal.eu>, Stand:15.04.2019