Kompetenzvermittlung digital: How to … RDA?
Konzeption eines digitalen Lernangebots an der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln
Wer kennt sie nicht, die umfangreichen, theoriebezogenen und mitunter recht langatmigen RDA-Multiplikatorenschulungen aus den Jahren 2015/2016? Sie basierten auf Schulungsunterlagen, die die AG RDA (Resource Description and Access) mühsam erarbeitet, aufbereitet und bis 2018 aktuell gehalten hat.1 Es sind Schulungen, die auch heute noch weitestgehend unverändert nach dem Prinzip der Frontalschulung im Präsenzformat stattfinden: Dozierende erläutern die Theorie und bis auf einige wenige, meist formatneutrale Übungen verbleiben die Teilnehmenden in einer vorrangig passiven Rolle.2 Die Form der Schulung bedingte sich bisher durch die Rahmenbedingungen, unter denen die AG RDA 2014/2015 das Regelwerk erarbeiten, implementieren und daneben ein Schulungskonzept erstellen sollte – eine Arbeit, die verständlicherweise zum damaligen Zeitpunkt in Eile und mit knappen personellen Ressourcen entstehen und anschließend so schnell wie möglich an die katalogisierenden Kolleg*innen in ihrer Funktion als Multiplikator*innen weitergegeben werden musste. Zudem war eine entsprechende Technik zur – schnellen – Bereitstellung digitaler Lehr- und Lernangebote damals in Bibliotheken noch nicht verbreitet oder gar vorhanden.
1. RDA-Schulungen an der USB Köln
Auch an der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln wurde über die Abteilung Universitätsgesamtkatalog von 2016 bis 2019 in dieser Form geschult. Die Abteilung Universitätsgesamtkatalog ist die zentrale Support-Einrichtung für die dezentralen Instituts- und Fachbibliotheken an der Universität zu Köln. Sie berät in allen bibliotheksorganisatorischen und technischen Fragen, bildet die Schnittstelle zur Universitäts- und Stadtbibliothek Köln und bietet Schulungen zur bibliothekstechnischen Infrastruktur und deren Anwendung an. Die Schulung hatte eine Gesamtdauer von circa 23 Stunden, verteilt auf fünf aufeinanderfolgende Tage. Die Resonanz der bis zu 20 Teilnehmenden3 je Schulung wies hinsichtlich Didaktik und Praxisbezug eine überwiegend negative Tendenz auf. Die Schulung wurde als zu theoretisch empfunden und als zu wenig alltags- bzw. praxisorientiert. Kritisiert wurde außerdem, dass sie zu abstrakt und zu statisch sei. Der Gedanke, das Schulungskonzept zu ändern, manifestierte sich also bereits „vor Corona“. Allerdings fehlte es sowohl materiell als auch personell an umsetzbaren Konzepten, mediendidaktischen Kenntnissen und Ressourcen.
Als im März 2020 fast alle Mitarbeitenden der Universität zu Köln ins Homeoffice wechselten und die Bibliotheksservices vor Ort weitestgehend eingestellt wurden, war auch das Präsenzschulungsangebot der Abteilung Universitätsgesamtkatalog von den Einschränkungen betroffen. Ein kaum tragbarer Umstand, bedenkt man, dass Kolleg*innen in den dezentralen Campusbibliotheken beim Umstieg auf die mit der Bibliothekssoftware Aleph betriebene nordrhein-westfälische Verbunddatenbank ohne fachbezogene Schulung in Bibliothekssoftware und -regelwerk im Bereich Medienbearbeitung nur eingeschränkt arbeitsfähig sind. Die Bereitstellung und Nutzung neuer digitaler Anwendungen ermöglichte schließlich die Entwicklung eines neuen Schulungskonzepts.
Grundlage dafür bildete ein bereits 2019 im Rahmen einer Masterarbeit erstelltes, theoretisches Bildungskonzept zur Überführung der RDA-Präsenzschulungen in ein Blended-Learning-Szenario.4 Der Grundgedanke war, den RDA-Kurs für die Teilnehmenden örtlich und zeitlich so flexibel wie möglich zu gestalten. Ziel war es, sich an didaktischen Grundsätzen, vor allem aber an den Rückmeldungen aus vergangenen Präsenzschulungen zu orientieren: mehr Übungen, mehr Möglichkeiten der Fokussierung auf einzelne Themen und die Berücksichtigung individueller Lerngeschwindigkeiten. Die Teilnehmenden sollten selbst entscheiden können, wann sie welches Modul mit welcher Geschwindigkeit bearbeiten – und wie oft sie an Präsenzübungen teilnehmen möchten, denn: Die Teilnehmenden kennen sich und ihre Lernpräferenzen am besten.
2. Das Konzept
Das 2019 erstellte Konzept basiert, unter Berücksichtigung mediendidaktischer Analysen und Standards (hier insbesondere die Vorgehensmodelle PAS 1032-1: 2004-025 und ROME6), auf der Kombination von E-Lectures zur Vermittlung des theoretischen Teil der Module 3 (Basiswissen Katalogisierung: Monografien und fortlaufende Ressourcen) und 5A (Aufbauwissen Katalogisierung: Monografien)7 des Regelwerks – analog zu den bekannten Schulungsunterlagen der AG RDA – und einem Web-Based-Training, das die theoretischen Inhalte aus den E-Lectures anhand von Übungsbeispielen und -aufgaben praktisch untermauert. Hinzu kommt eine Präsenzveranstaltung, während der die Teilnehmenden ihre digital erarbeiteten Kenntnisse realitätsgetreu im Aleph-Format in der entsprechenden Schulungsdatenbank praktisch anwenden.
Das Konzept wurde entsprechend technischer, zeitlicher und personeller Ressourcen auf die zu diesem Zeitpunkt aktuellen Gegebenheiten und Möglichkeiten an der USB Köln angepasst:
Die E-Lectures sind in Form aktualisierter, optisch angepasster, über eine Audiospur kommentierter und im Videoformat aufbereiteter Lehr- und Lerneinheiten im Lernmanagementsystem ILIAS der Universität zu Köln abrufbar, auf das alle Angehörigen der Universität Zugriff haben. In ILIAS erstellte Tutorials ersetzen das ursprünglich vorgesehene Web-Based-Training. Sie wiederholen die Inhalte aus den E-Lectures, veranschaulichen diese mit Beispielen im Aleph-Format und festigen sie mit in der Komplexität ansteigenden aktiven Übungen. Die Kickoff-Veranstaltung ist ebenfalls als asynchrones Modul in ILIAS eingebracht, und die Präsenzen finden digital über die Webkonferenzplattform Zoom statt. Die Präsenz-Buchung wird wiederum über ILIAS abgewickelt. Der gesamte Kurs setzt also einen zentralen Ausgangs- und Bearbeitungsfokus in ILIAS. Diese zentrale Ausgangslage reduziert sowohl technische als auch persönliche Hürden der Teilnehmenden und erleichtert den Support sowie die Kursbetreuung durch die Tutor*innen.
3. Kursablauf
Die Kickoff-Veranstaltung und die Selbstlernphasen in ILIAS sind inhaltlich und zeitlich aufeinander aufbauend strukturiert. Die digitalen Präsenzen werden zu regelmäßigen Terminen angeboten und können ergänzend zu den Selbstlernphasen gebucht werden. Die Darstellung des Kurs-Ablaufes ergibt daher keinen stringenten Zeitstrahl. Es entsteht vielmehr ein Konstrukt, in dem die Kickoff-Veranstaltung und die Selbstlernphasen einen Rahmen bilden, innerhalb dessen – unabhängig vom Lernfortschritt – von jeder Phase aus belegbare digitale Präsenzen liegen (Abb. 1).
Eine Anmeldung zum ILIAS-Kurs und seinen Inhalten ist nicht notwendig; er steht den Angehörigen der Universität zu Köln jederzeit zu Verfügung. Die Reihenfolge der Inhalte beziehungsweise der zeitliche Ablauf ist dabei frei wählbar. Digitale Präsenzen sind davon ausgenommen, hier ist eine Anmeldung aus organisatorischen Gründen obligatorisch. Die Themen bauen aufeinander auf, für Anfänger*innen ist es sinnvoll, sich vom „Einfachen“ zum „Komplizierten“ vorzuarbeiten, sowie dem in den Abbildungen 1 und 2 dargestellten, empfohlenen Kursablauf zu folgen. Sollten Teilnehmende sich mit einem Themenbereich bereits auskennen oder einen ganz spezifischen Lernbedarf haben, steht es ihnen jedoch frei, abweichend von der vorgegebenen Reihenfolge zu beginnen.
3.1. Virtueller Kickoff
Da das Konzept eine zeitlich unabhängige Organisation des Kurses aufweist, findet die Kickoff-Veranstaltung nicht synchron via Präsenztreffen oder Webinar statt. Sie ist als ILIAS-Tutorial asynchron mit Informationstexten und gegebenenfalls Grafiken und Links zu Inhalt und Ablauf des Kurses sowie seiner einzelnen Kurselemente aufbereitet.
3.2. Selbstlernen: E-Lecture
In einer E-Lecture werden die deklarativen Inhalte des Regelwerks als theoretische Grundlage für das aktive Katalogisieren in Aleph durch eine Videovorlesung in Form einer eingesprochenen PowerPoint-Präsentation vermittelt. Dafür wurden die Schulungsfolien der AG RDA auf das Corporate Design der USB Köln angepasst, aktualisiert und mit ergänzenden Informationen verbal angereichert.
3.3. Selbstlernen: Übungen
Für die Übungen wurden die zuvor in der E-Lecture theoretisch vermittelten Kenntnisse in Wissenseinheiten unterteilt. Dabei wurde die theoretische Struktur der E-Lecture aufgebrochen und anschließend in einzelnen Lerneinheiten jeweils entsprechend einer Bildschirmseite reorganisiert. Die Inhalte aus den E-Lectures wurden modulweise in resümierter Form zusammengestellt und – angereichert mit praktischen Übungen – neu aufbereitet.8 Die Lerneinheiten folgen dabei weitestgehend dem in den Abbildungen 4 bis 8 am Beispiel „Paralleltitel“ dargestellten Schema: Zunächst wird zum jeweiligen Thema eine kurze Definition abgegeben (Abb. 4). Darauf folgt eine Zusammenfassung der in der E-Lecture vermittelten Inhalte (Abb. 5) und im Anschluss ein Beispiel für die Erfassung in Aleph (Abb. 6). Nach dem Beispiel wird eine Übung angeboten, die analog zum vorgeführten Beispiel bearbeitet wird (Abb. 7). Abschließend erfolgt eine im Komplexitätsgrad ansteigende Übung, die vom vorangegangenen Beispiel abweicht und eine Adaption des bisher erlernten Wissens auf den Übungsfall erfordert (Abb. 8).
Die Übungen speisen sich inhaltlich aus den in der E-Lecture behandelten Fällen und nehmen diese in Hinblick auf eine praktische Anwendung wieder auf. Zusätzlich werden die Teilnehmenden durch von den Standardfällen abweichenden Übungssituationen dazu angeregt, das erlernte Wissen adaptiv auf unbekannte und neue Katalogisierungssituationen anzuwenden. Die Übungsaufgaben steigern sich in ihrer Komplexität; Aufgabenform sowie Inhalte variieren. Das verwendete Übungsmaterial wurde zusammengestellt aus Übungsaufgaben der Schulungsunterlagen der AG RDA sowie aus Titelblättern und Titelblattauszügen aus der Beispielsammlung der AG RDA und dem Schulungsmaterialbestand der Abteilung Universitätsgesamtkatalog. Zusätzlich wurden weitere Aufgabenstellungen entwickelt. Die Übungsaufgaben bestehen aus Lückentexten, Zuordnungsaufgaben und Richtig-oder-Falsch-Aufgaben, teilweise im Multiple-Choice-Format (siehe Beispiele in Abb. 9 und 10).
3.4. Digitale Präsenz
Da die Selbstlernphasen aufeinander folgen und eine recht lange Bearbeitungsdauer von insgesamt circa 15 bis 25 Stunden9 erfordern, haben die Teilnehmenden während der gesamten Selbstlernphase die Möglichkeit, an den regelmäßig stattfindenden Präsenzen teilzunehmen. Zudem haben sie die Möglichkeit, über die bereitgestellten verschiedenen Kommunikationskanäle (E-Mail, Telefon und Online-Meetings) mit der Abteilung Universitätsgesamtkatalog in Kontakt zu treten.
Die Präsenzen finden regelmäßig zu vorab für das gesamte Jahr kommunizierten Terminen in einem Umfang von drei bis fünf Stunden statt und können von den Teilnehmenden je nach Bedarf und zeitlicher Kapazität gebucht werden. Sie haben innerhalb der Module 3 und 5A keinen inhaltlich festgelegten Schwerpunkt. Interessierte können die Teilnahme unter Voranmeldung über ILIAS buchen und in den Präsenzphasen praktische Übungen in der realitätsgetreuen Aleph-Schulungsdatenbank durchführen, offene Fragen aus den Selbstlernelementen diskutieren, Erfahrungen reflektieren und sich untereinander austauschen sowie Feedback geben.10
Es handelt sich bei diesem reinen Online-Angebot per definitionem nicht mehr um „Blended Learning“11. Kickoff und Präsenzanteile werden im dargestellten Szenario jedoch durch entsprechende Online-Präsenzen ersetzt, sodass ein dem „Blended Learning“ fast ebenbürtiger „Digital Blend“ entsteht.
4. Produktion und Kursumsetzung
Die angepasste Konzeption und die Umsetzung des Kurses dauerten insgesamt über zehn Monate, wovon über neun Monate allein auf die Produktion der ILIAS-Inhalte entfielen. An der Produktion beteiligt war ein Team aus insgesamt vier Personen, bestehend aus den Mitarbeitenden der Abteilung Universitätsgesamtkatalog sowie einer Mitarbeiterin eines angegliederten Retrokatalogisierungsprojekts.12 Die Umsetzung erfolgte parallel zum Tagesgeschäft. Die Anpassung der Schulungsmaterialen, das Einsprechen der Videovorlesungen und vor allem das Erstellen der Inhalte der Übungsmodule beanspruchten dabei den größten Zeitaufwand. Die Freischaltung des Kurses erfolgte acht Wochen nach dem avisierten Termin und etwa ein Jahr nach der letzten in Präsenz durchgeführten RDA-Schulung am 17.02.2021 für die Campusbibliotheken der Universität zu Köln. Die Intention war, den Kurs schnellstmöglich verfügbar zu machen; es handelt sich dabei also um eine „Betaversion“, die laufend angepasst, optimiert und natürlich aktuell gehalten werden muss. Die dreistelligen Abrufzahlen in ILIAS, bisher getätigte Präsenzbuchungen, sowie Rückmeldungen aus zwei mittlerweile bereits durchgeführten Präsenzen und per E-Mail belegen ein großes Interesse am neuen Kurskonzept. Die folgenden Monate werden zeigen, wie „How to…RDA?“ sich in der Praxis bewährt und an welchen Stellen nachjustiert werden muss.
Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0 International.
1 Schulungsunterlagen der AG RDA, wiki.dnb.de, <https://wiki.dnb.de/display/RDAINFO/Schulungsunterlagen+der+AG+RDA>, Stand: 16.05.2021.
2 Schulungskonzept der AG RDA, wiki.dnb.de, Dez. 2014, <https://wiki.dnb.de/display/RDAINFO/Schulungen?preview=/94676180/176195039/Schulungskonzept.pdf>, Stand: 16.05.2021.
3 Meist Bibliothekar*innen, deren dezentrale Instituts- und Fachbibliotheken von einem in die Jahre gekommenen RAK-WB-basierten Bibliothekssystem auf das Aleph-Verbundsystem wechselten, jedoch auch neue Kolleg*innen, die bisher nach den RAK-WB katalogisierten, oder Berufseinsteigende, die sich im Studium nur wenige Kenntnisse der RDA aneignen konnten.
4 Schwarz, Stephanie: How to…RDA? Konzeption eines Blended Learning-Szenarios zur Anwendung des Regelwerks „RDA“ in wissenschaftlichen Bibliotheken, dargestellt an Modul 3: Monographien und monographische Reihen, Masterarbeit, Universität Rostock, Rostock 2019.
5 Reglin, T.; von der Handt, G.; Oppitz, S. u.a.: PAS 1032-1: 2004-02. Aus- und Weiterbildung unter besonderer Berücksichtigung von e-Learning. Teil 1: Referenzmodell für Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung; Planung, Entwicklung, Durchführung und Evaluation von Bildungsprozessen und Bildungsangeboten, Berlin 2004.
6 Hambach, Sybille: Systematische Entwicklung von E-Learning-Angeboten. Vorgehensmodell und Entwicklungsumgebung, Stuttgart 2008.
7 Der Kurs beinhaltet die anwendungsorientieren Standardfälle aus den RDA-Modulen 3 und 5A; die Module 1 und 2 werden anhand der Schulungsunterlagen der AG RDA im Selbststudium vorab bearbeitet und sind nicht Bestandteil des Kurses.
8 Swertz, Christian: Didaktische Aufbereitung von Lernmaterialien, überarb. Aufl., Rostock 2016.
9 Dabei handelt es sich um einen geschätzten Wert; die Bearbeitungsdauer ist abhängig von der individuellen Lern- und Arbeitsgeschwindigkeit der jeweiligen Teilnehmenden und variiert entsprechend stark.
10 Vgl. Erpenbeck, John; Sauter, Simon; Sauter, Werner: E-Learning und Blended Learning selbstgesteuerter Lernprozesse zum Wissensaufbau und zur Qualifizierung (E-Book), Wiesbaden 2015, S. 32, <https://link.springer.com/book/10.1007%2F978-3-658-10175-6Y>, Stand: 17.05.2021.
11 Blended Learning, e-teaching.org, 28.03.2017, <https://www.e-teaching.org/lehrszenarien/blended_learning>, Stand: 16.05.2021.
12 Beteiligt waren Martina Brinkmann, Martin Mensing, Stephanie Schwarz und Philipp Tiesler.