Organisationsentwicklung an der Freien Universität Berlin
Ergebnisse aus dem Change-Projekt „Wandel@FU-Bib“
Dieser Beitrag beruht auf einem Vortrag zum 109. Deutschen Bibliothekartag am 16. Juni 2021
Zusammenfassung
An der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin sind zwischen Mai 2019 und Mai 2021 im Rahmen eines umfassenden Change-Projekts weitreichende Veränderungen in der Organisation auf den Weg gebracht worden. Mit dem Ziel einer Ausrichtung an den Bedürfnissen der Nutzenden und einer Fokussierung auf die digitale Zukunft von wissenschaftlichen Bibliotheken wurde erstmalig eine Strategie formuliert. Außerdem ist die Organisation an verschiedenen Stellen umgestaltet worden, um die gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen produktiv und zusammen mit den Angehörigen der Universität bearbeiten zu können. Dieser Beitrag erläutert den Verlauf des Projekts und seine wichtigsten Ergebnisse, beleuchtet einzelne Aspekte des Prozesses und wirft einen Blick auf die nächsten Schritte der Organisationsentwicklung.
Abstract
Between May 2019 and May 2021, far-reaching changes in the organization were initiated as part of a comprehensive change project at the University Library of Freie Universität Berlin. For the first time, an explicit strategy for the library was drawn up, with the aim of aligning the library with the needs of users and focusing on the digital future of academic libraries. In addition, the organization was redesigned at various points to allow for working on current and future challenges productively, together with the members of the university. This article explains the course of the project and its most important results, highlights some aspects of the process, and takes a look at the next steps in organizational development.
1. Kontext
An der Freien Universität Berlin (FU) studieren etwa 30.000 Personen in 170 Studiengängen, außerdem werden etwa 4000 Doktorand*innen ausgebildet. Mehr als 370 Professor*innen forschen und lehren an 11 Fachbereichen, vier Zentralinstituten und mehreren Sonderforschungsbereichen. Mit dem Gründungsdatum 1948 ist sie die jüngste der Berliner Universitäten. Die Freie Universität Berlin hat im Exzellenz-Wettbewerb des Bundes und der Länder dreimal erfolgreich abgeschnitten. Als Ergebnis des jüngsten Wettbewerbs unter den deutschen Universitäten, der „Exzellenzstrategie“, wird sie als Teil der Berlin University Alliance1 von 2019 an dauerhaft gefördert.
Die Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin trug vor Beginn des Projekts die Bezeichnung „Bibliothekssystem“ und umfasste eine zentrale Bibliothek, elf Fachbibliotheken an neun Standorten, das Universitätsarchiv und das Center für Digitale Systeme. Sie stellt den Zugang zu etwa 6 Mio. Printmedien bereit, dazu kommen über 54.000 lizensierte E-Zeitschriften und mehr als 1,5 Mio E-Books. Den Nutzenden der Universitätsbibliothek stehen mehr als 3000 Arbeitsplätze zur Verfügung, davon befinden sich über 900 in der 2015 eröffneten Campusbibliothek. Zur Universitätsbibliothek gehört auch der bekannte Bibliotheksbau für die Philologische Bibliothek, „The Berlin Brain“ von Sir Norman Foster, und die Bibliothek im Botanischen Garten Dahlem.
Das Center für Digitale Systeme (CeDiS), gegründet 1990, war bis 2018 eine eigenständige Organisationseinheit innerhalb der Freien Universität und zuständig für E-Learning, E-Research und Multimedia. Mit einem Beschluss des Präsidiums wurde das CeDiS zum Jahreswechsel 2017/2018 formal in die Universitätsbibliothek integriert. Im selben Zeitraum traten sowohl der Gründer und damalige Leiter des CeDiS, Nicolas Apostolopoulos, als auch der leitende Direktor des Bibliothekssystems, Jiri Kende, in den Ruhestand ein. Der im Anschluss berufene leitende Direktor Andreas Brandtner wurde beauftragt, die CeDiS-Integration umzusetzen. Darauf aufbauend ist die Skizze für das Change-Projekt entstanden, die eine umfassendere Umstrukturierung des gesamten Bibliothekssystems vorsah und mit der Unterstützung des Präsidiums der Freien Universität zum Ende des Jahres 2018 auf den Weg gebracht wurde.
Das Change-Projekt „Wandel@FU-Bib“ wurde mit einer geplanten Laufzeit von zwei Jahren angelegt. Für diesen Zeitraum wurden zwei Personen im vollen Stellenumfang mit der Leitung (Martin Lee) und Koordination (Christina Riesenweber) des Projekts beauftragt. Zusätzlich wurde ein zweiköpfiges Beratungsteam von der Agentur osb international2 engagiert (Katrin Glatzel und Maik Arensmann), das mit insgesamt 130 Beratungstagen das Projekt begleitet hatte. Die Mittel für diese Ausstattung wurden zentral von der Universitätsleitung zur Verfügung gestellt.
2. Beweggründe
Die Beweggründe für ein umfassendes Change-Projekt liegen in Beobachtungen der Umwelten von Universitäten und wissenschaftlichen Bibliotheken. Im Mittelpunkt steht hier zunächst die digitale Transformation, die andere Werkzeuge, Medien und Kommunikationsformen ermöglicht und erforderlich macht. In Verbindung damit findet eine grundlegende Veränderung der Arbeit von Forschenden, Lehrenden und Studierenden statt, die ihre Erwartungen und Bedürfnisse verändern. Das Gleiche gilt aber auch für die Bibliotheksbeschäftigten selbst, die im beruflichen wie im privaten Kontext die Veränderungen der digitalen Umwelten erleben.
Diese Veränderungen lassen sich grundlegend als eine Zunahme an Komplexität beschreiben. Komplexe Probleme und Aufgaben zeichnen sich dadurch aus, dass Problem und Lösung nicht mehr durch einen von Anfang an planbaren Weg miteinander verbunden werden können. Stattdessen befinden sich komplexe Zusammenhänge in veränderlichen Umwelten, die ein höheres Maß an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit voraussetzen, um erfolgreich zu einer Lösung zu kommen. In komplexen Zusammenhängen, wie sie durch die digitale Transformation zunehmend auftreten, ist Beweglichkeit die wichtigste Voraussetzung, um zukunftsfähig zu bleiben.
Auch als Organisationen mit einem starken Bezug zu Tradition, Verlässlichkeit und Stabilität müssen Bibliotheken wie die Universitätsbibliothek der FU lernen, dynamischer und agiler zu sein. Dieser Gedanke liegt der Ausarbeitung des Change-Projekts „Wandel@FU-Bib“ zugrunde.
3. Projektziele
Zu Beginn des Projekts wurden vier Projektziele festgelegt.
1. Zusammenführung von Bibliotheken und CeDiS: Maßgeblichen Anstoß für das Projekt auf administrativer Ebene gab die organisatorische Zusammenführung von Bibliothekssystem und CeDiS zum Jahresanfang 2018 auf Veranlassung der Universitätsleitung. Im Rahmen des Projekts sollte dieser Verwaltungsakt mit Leben gefüllt werden, um das enorme Potential dieser Verbindung auszuschöpfen. Das Ziel war eine Organisation, die alle Stärken von den Bibliotheken und CeDiS verbindet, um Forschende, Lehrende und Studierende als starke Partnerin zu unterstützen.
2. Vereinfachung der Strukturen: Das Bibliothekssystem der Freien Universität Berlin ist zweischichtig strukturiert, das heißt, die zentrale Bibliothek und die dezentralen Bereichsbibliotheken handeln in einigen Aufgabengebieten parallel. Ziel des Projekts war es, die funktionale Einschichtigkeit weiter auszubauen und ein ausbalanciertes Bibliothekssystem zu schaffen, in dem die zentralen und die dezentralen Bereiche ihre Aufgaben besser koordinieren und in ihren Funktionen klarer unterscheidbar werden. Gleichzeitig sollte eine engere Verbindung der Teilbereiche untereinander entstehen, um sich gemeinsam als zukunftsfähige Organisation langfristig weiterzuentwickeln.
3. Qualitätsanspruch und Nutzerorientierung: Als Bibliothek und digitaler Dienstleister ist die Universitätsbibliothek ein maßgeblicher Erfolgsfaktor für die Qualität von Forschung, Lehre und Studium an der Freien Universität Berlin. Deswegen hatte das Projekt eine Verbesserung der Qualität der Angebote als Ziel, um den steigenden Anforderungen einer exzellenten Universität gerecht zu werden. Außerdem sollten sich die Angebote an den aktuellen Bedürfnissen der Nutzer*innen orientieren sowie Möglichkeiten geschaffen werden, um diese Anforderungen zu erkennen und darauf reagieren zu können. Ein besonderer Fokus lag dabei auf Veränderungen, die sich im Zuge der digitalen Transformation der Hochschulen ergeben.
4. Wandlungsfähigkeit: Mit der Zusammenführung von Bibliotheken und CeDiS, dem Ausbau der funktionalen Einschichtigkeit, hohen Qualitätsansprüchen und einer starken Nutzerorientierung wurde eine Universitätsbibliothek gestaltet, die den Anforderungen des Moments gewachsen ist. Langfristig gut aufgestellt zur exzellenten Unterstützung für die Angehörigen der Freien Universität Berlin wird sie aber erst sein, wenn die Universitätsbibliothek das Prinzip der Wandlungsfähigkeit in ihrem Selbstverständnis verankert. Agilität, Flexibilität, Innovationskraft und Zukunftsorientierung sollen den Rahmen für das Denken und Handeln bilden. Die Verankerung dieser Grundsätze im Arbeiten und Planen war deswegen ein Schwerpunktbereich des Projekts.
4. Organisationsdesign
Mit Hilfe des Beratungsteams wurde ein Organisationsmodell als Grundlage ausgewählt, das auf den Arbeiten von Reinhart Nagel beruht.3 Im Sinne eines systemischen Organisationsverständnisses besteht eine Organisation nicht nur aus ihrer Struktur, sondern aus einer ganzen Reihe von Elementen, denen wir als Aspekten des Organisationsdesigns in unserem Projekt jeweils spezifische Aufmerksamkeit gewidmet haben. Als Input dient dabei eine Strategie und als Mittelpunkt ein Konzept von Führungspraxis, das die folgenden sechs Elemente miteinander verbindet: Organisationsstruktur, Kommunikationsprozesse, Geschäftsprozesse, Infrastruktur, Personalsysteme und Steuerungssysteme.
Strategie
Wir gehen davon aus, dass das Organisationsdesign grundlegend durch strategische Vorüberlegungen geprägt ist. Diese informieren die weitere Ausgestaltung aller weiteren Elemente. Ein umfassender Prozess der Strategieentwicklung stand deswegen am Beginn des Projekts.
Die Erarbeitung der Strategie erfolgte in einem neunmonatigen Prozess, in dessen Mittelpunkt das von der Leitung eingesetzte Strategie-Team stand. Das Strategieteam wurde vom Beratungsteam begleitet und umfasste neben dem Projektbüro und der Leitung des Bibliothekssystems fünf weitere Kolleg*innen mit Schlüsselpositionen innerhalb der Organisation. Thematisch waren durch diese Konstellation sowohl klassische bibliothekarische Bereiche abgedeckt (Perspektive einer Fachbibliothek, Erwerbung und Zugang) als auch strategisch wichtige Themen für die neue Ausrichtung (E-Learning, E-Examination, Digital Humanities, Forschungsdaten, Open Science).
Das Strategieteam begann mit einer umfassenden Umfeldanalyse, die auch die Perspektiven von Mitarbeitenden berücksichtigte, und entwarf dann verschiedene zugespitzte Zukunftsbilder, aus denen schließlich eines ausgewählt wurde. Mit Bezug auf dieses Zukunftsbild wurde ein erster Entwurf der Strategie formuliert, der wiederum nach umfassendem Feedback abgeschlossen und verabschiedet wurde. Eine ausführliche Beschreibung des Strategieprozesses haben wir bereits publiziert.4
Die ausformulierte Strategie beinhaltet vier Elemente: Eine Vision, die Formulierung unserer Mission, sieben Wertepaare, die unsere Zusammenarbeit beschreiben, und sechs strategische Ziele. Die Strategie ist im gesamten Wortlaut publiziert.5
Die Vision beantwortet die Frage „Wer wollen wir sein?“
„Gemeinsam gestalten wir die Wissensräume der Freien Universität Berlin für exzellente Forschung, hochwertige Lehre und ein erfolgreiches Studium.“
In den Diskussionen zum Strategieentwurf ist immer wieder deutlich geworden, dass wir als Universitätsbibliothek unsere Rollen nur erfüllen können, wenn wir einerseits als Gemeinschaft auftreten und anderseits gemeinsam mit anderen unsere Ziele verfolgen, weswegen die Betonung dieses Konzeptes direkt am Anfang steht. Der Begriff der Wissensräume betont unsere Aufgabe der Ermöglichung von Begegnung, im physischen wie im digitalen Raum. Und unsere Anbindung an die drei zentralen Funktionen der Universität – Forschung, Lehre, Studium – macht deutlich, dass wir ein eng verbundener Bestandteil dieser Aufgaben sind.
In der Mission ist der Auftrag der Universitätsbibliothek formuliert:
„Wir gestalten als Teil unserer internationalen Netzwerkuniversität die Zukunft der Wissenschaft mit.
Für die Menschen an der Freien Universität Berlin ermöglichen wir Begegnung, Dialog und Gemeinschaft in unseren Räumen. Wir bewahren die Ergebnisse ihrer Arbeit und verbinden sie global. Wir schaffen verlässlichen Zugang zu Daten, Informationen und Wissen.
Gemeinsam mit den Forschenden, Lehrenden und Studierenden entwickeln wir nachhaltige Infrastrukturen und innovative Lösungen. Wir vermitteln Kompetenzen, um Daten zu verstehen, Informationen zu finden und Wissen zu teilen.“
Auch hier ist aus der Analyse, dem Feedback und den Diskussionen deutlich geworden, dass eine enge Verbindung zu allen Teilen der Universität im Kern des Selbstverständnisses steckt. Die spezifische Expertise, die in der Universitätsbibliothek in Bezug auf Daten, Informationen und Wissen aufgebaut und geteilt wird, verstehen wir als Baustein im Erfolg der Universität. Auch hier sind die Konzepte von Gemeinsamkeit und Verbindung im Mittelpunkt.
Die ausformulierten Werte gestalten die Art, wie die Mitarbeitenden in der Universitätsbibliothek zusammenarbeiten. Hier wurden insgesamt sieben Aspekte ausformuliert. Sie beginnen bei einer Schwerpunktsetzung auf Menschen und Beziehungen und reichen bis zu einer gemeinsamen Zielsetzung auf ambitionierte Ziele. Ein wichtiges Ergebnis der Strategie-Diskussion war, dass auch das Themenfeld „Nachhaltigkeit und Verantwortung“ als einer unserer zentralen Werte formuliert wurde.Schließlich beinhaltet die Strategie sechs strategische Ziele, die als Schwerpunktsetzungen für die erste Strategiephase von 2020-2025 formuliert wurden. Wir nehmen uns vor, unsere Rolle als aktiver und gestaltender Partner in Kooperationsprozessen auszubauen und unterstützen Forschung, Lehre und Studium vor allem bei digitalen Lösungen. Außerdem werden wir einen Schwerpunkt auf das Angebot von Räumen gemäß den Bedürfnissen unserer Nutzer*innen legen. Aber auch organisatorische Elemente finden sich unter den Zielen. Eine systematische Personalentwicklung bildet hier die eine Seite, auf der anderen Seite steht das weitere Zusammenwachsen der gesamten Universitätsbibliothek als eine Gemeinschaft.
Die Nützlichkeit und Verwendung einer ausformulierten Strategie hat zwei Aspekte: Zum einen war der Prozess selbst ein wichtiger Bestandteil der Universitätsbibliothek auf dem Weg zu einem neuen Selbstverständnis. Unabhängig vom Wortlaut der schlussendlich verabschiedeten Strategie sind in dem Dreivierteljahr ihrer Entstehung eine Vielzahl von Gesprächen und Diskussionen geführt worden, an denen nicht nur die Leitung, sondern auch etwa 100 Kolleg*innen aus allen Bereichen der Universitätsbibliothek beteiligt waren. Hier wurde der Denkraum geöffnet, um ein neues Bild der Organisation zu entwerfen, und Themen verhandelt und vergemeinschaftet. Auch wenn sich der Gewinn aus diesem Prozess nicht quantifizieren lässt, ist das Gespräch und die Verständigung über den Auftrag und die Ziele der Organisation ein wichtiger Bestandteil unserer zukünftigen Arbeitswirklichkeit.
Zum anderen liegt mit der fertigen Strategie nun erstmals eine ausformulierte Grundlage vor, die sowohl innerhalb des Projekts eine wichtige Entscheidungsgrundlage darstellte, aber auch für die daran anschließende laufende Organisationsentwicklung den Rahmen setzt. Die Ausarbeitung des Organisationsdesigns erfolgte und erfolgt auf Grundlage der Strategie. Auch die weitere Formulierung konkreter Ziele und Maßnahmen wird in diesem Sinne umgesetzt werden. Für den nächsten Schritt der Ausgestaltung von Führungsleitlinien wird ebenfalls die Strategie als Basis dienen. Aber natürlich wird die Strategie auch für Vorhaben innerhalb von Teams oder anderen Projekten eine praktische Entscheidungshilfe sein können, wenn es zum Beispiel die Ausgestaltung der Abteilungszusammenarbeit betrifft oder die Schwerpunktsetzung bei Teamentwicklungen.
Führungspraxis
Während die Strategie den Rahmen für das Organisationsdesign bildet, stellt den Zusammenhalt der einzelnen Elemente eine gemeinsame Führungspraxis sicher. Ein geteiltes Konzept von Führung und damit ein gelebter gemeinsamer Führungsstil ist der Mittelpunkt unseres Verständnisses von Organisation.
Aufbauend auf den Vorüberlegungen und der strategischen Umweltanalyse ist deutlich geworden, dass ein erfolgreicher Führungsstil nicht mehr im Sinne einer Hierarchie-Pyramide mit einer Person an der Spitze gedacht werden kann. Insbesondere die zunehmende Komplexität der Aufgaben und Umwelten macht ein anderes Führungsverständnis notwendig, das geteilte Führungsverantwortung zentral setzt. Als Grundprinzip für die weitere Entwicklung der Universitätsbibliothek wird Führung im Team ein wichtiges Element darstellen.
Als ersten Schritt zur Umsetzung des Prinzips „Führung im Team“ ist die Leitungsstruktur der Universitätsbibliothek verändert worden. Der Leitende Direktor arbeitet nun statt mit einer Stellvertretung mit drei Vertretungen zusammen, die gemeinsam mit ihm das Leitungsteam bilden. Das Leitungsteam ist verantwortlich für Grundfragen von Strategie und Organisationsentwicklung und übergeordnete Entscheidungen für die gesamte Universitätsbibliothek. Dies betrifft zum Beispiel das Service-Portfolio, Raum- und Standortentwicklung und zusätzliche Haushaltsfragen, allgemeine Personalentwicklung und die Jahresplanung sowie die Priorisierung von Projekten.
Im Rahmen des Projekts ist außerdem der Grundstein für ein umfassendes Führungskonzept gelegt worden. Aufbauend auf mehreren Veranstaltungen mit den aktuellen Führungskräften ist ein erster Entwurf für zukünftige Führungsleitlinien entstanden. Diese werden im Anschluss an das Projekt unter Beteiligung der Personen mit Personalverantwortung weiterentwickelt. Ziel ist es, auf dieser Grundlage ein Rahmenprogramm für die nachhaltige Entwicklung von Führungskompetenzen in der Universitätsbibliothek aufzubauen, welche die eigene Strategie berücksichtigen und sich gut in das Gesamtpersonalkonzept der Universität einfügen.
Organisationsstruktur
Im Sinne des Organisationsdesigns meint Organisationsstruktur die Prinzipien und Logik der Gesamtstruktur (d.h. der Funktionen und Verantwortlichkeiten), wie sie in einem Organigramm abgebildet werden können. Dazu gehört auch die Stimmigkeit des Organigramms, das heißt die Definitionen einzelner Rollen, von Führungsspannen und eine Durchgängigkeit der Gestaltungsprinzipien.
Im Rahmen des Projekts wurde die vormals „Bibliothekssystem“ benannte Organisationseinheit in die neue Universitätsbibliothek überführt. Dies bedeutete insbesondere die Gründung von drei neuen Elementen als Abteilungen: Die Abteilung „Fachbibliotheken“ fasst alle Bibliotheksstandorte unter einer Leitung zusammen und setzt damit eine bereits zuvor begonnene Strukturentwicklung fort, in der die stellvertretende Bibliotheksdirektorin den Bereich Fachbibliotheken in ihre Verantwortung übernommen hatte. Die neu gegründete Abteilung „Dienste für Forschung“ beinhaltet Themenfelder wie Digital Humanities, Forschungsdatenmanagement und Open-Access-Services. Die ebenfalls neue Abteilung „Dienste für Lehre und Studium“ bearbeitet E-Teaching und E-Learning, das Themenfeld der „Teaching Library“ und digitale Prüfungen. Die Leiter*innen dieser drei Abteilungen bilden gleichzeitig die neuen Stellvertretungen des Leitenden Direktors und sind somit Teil des Leitungsteams. Die beiden neuen Abteilungen vereinen Services aus dem CeDiS-Bereich, wie zum Beispiel die digitale Lernplattform, und aus dem bibliothekarischen Bereich, wie Benutzung und Hochschulschriften.
Als weitere Abteilung geht der ehemalige Bereich Zugang und Bestand leicht verändert in die Zukunft und beinhaltet nun zum Beispiel den Bereich Magazine, der zuvor der Benutzung zugeordnet war. Die zukünftige Struktur der Abteilung für Informationstechnologie und Elektronische Dienste ist zum Projektabschluss noch nicht endgültig neu strukturiert worden. Dies liegt unter anderem daran, dass 2020 ein großes Projekt zur Neuorganisation der IT an der Freien Universität Berlin ins Leben gerufen wurde6 und damit neue Abstimmungsprozesse die Komplexität der Entscheidungen erhöht haben. Die Zuordnung der IT-Teams hat für die weitere Organisationsentwicklung höchste Priorität, da hier sowohl bibliothekarische Zentralfunktionen betrieben werden (z.B. Bibliothekssystem Alma und Discovery-System Primo), aber auch Zentralfunktionen für die gesamte Universität (z.B. das Content-Management-System für alle Universitätswebseiten).
Die Ausarbeitung der Binnenstrukturen der neuen Abteilungen auf Teamebene ist teilweise bereits im Projektkontext erfolgt, wird zum größten Teil aber erst nach Projektabschluss umgesetzt. Dies beinhaltet unter anderem auch die Festlegung von neuen Rollen, Besprechungsroutinen und abteilungsübergreifenden Austauschformaten.
Veränderungen in der Organisationsstruktur gab es auch durch die Schaffung und Umgestaltung einiger übergreifender Teams und Positionen, einerseits im Bereich Verwaltung, andererseits in Form von Stabstellen, die Einzelthemen für die gesamte Universitätsbibliothek bearbeiten. In der Verwaltung ist die wichtigste Veränderung die Schaffung einer Position der Verwaltungsleitung. Diese Aufgaben wurden zuvor als Teil der Direktionsaufgaben erledigt und kann durch die klare Aufgabenteilung nun fokussierter umgesetzt werden. Außerdem ist jetzt ein zweiköpfiges Team mit dem Schwerpunkt Aus- und Weiterbildung Teil der Verwaltung.
Als neue Aufgabenbereiche ist das Thema Kommunikation und Marketing mit einer neuen Stelle besetzt worden, die mittlerweile aus einem Team mit drei Mitarbeitenden besteht, die mit Anteilen ihrer Arbeitszeit Kommunikationsaufgaben übernehmen. Außerdem ermöglicht eine neu geschaffene Stabstelle zur Benutzungsforschung einen methodisch fundierten Ausbau von Bedarfsanalyse und partizipativen Projekten.
Kommunikationsprozesse
Die Organisationsstruktur selbst ist, insbesondere in ihrer Darstellungsform als Organigramm, scheinbar festgelegt und durch Trennlinien gegliedert. Tatsächlich ist aber die Arbeitswirklichkeit in der Universitätsbibliothek erst verständlich, wenn die Kommunikationsprozesse in den Blick genommen werden, welche die Struktureinheiten miteinander verbinden. Hierzu gehören z.B. horizontale Abstimmungsmechanismen zwischen Abteilungen, Teams und Projekten. Viele dieser langfristig angelegten Kommunikationswege werden erst nach Abschluss des Projekts eingerichtet werden können, da sie von den Binnenstrukturen der Abteilungen und den Rollenverteilungen z.B. von Teamleitungen abhängen.
Während der Projektlaufzeit sind aber bereits eine Reihe von Initiativen gestartet, die eine Veränderung der Kommunikationskultur innerhalb der Universitätsbibliothek hin zu mehr Offenheit und Transparenz initiieren und ausbauen. Viele dieser Initiativen haben ihren Ursprung in projektbezogenen Workshops, aus denen Gruppen von Mitarbeitenden mit konkreten Zielen in eine zielorientierte Zusammenarbeit gegangen sind. Daraus entstanden ist zum Beispiel ein Konzept für die „Praxisnetzwerke“, in denen sich Kolleg*innen, unabhängig von Gremien oder Hierarchien, zum praxisorientierten Austausch treffen. Außerdem neu ist eine Struktur für Job-Shadowing innerhalb der Universitätsbibliothek, um Einblicke in andere Arbeitsbereiche zu ermöglichen. Der neue „Bibletter“ ist ebenfalls im Projektkontext entstanden und adressiert das Bedürfnis aller Mitarbeitenden, mehr über die Arbeit in anderen Teams und Standorten zu erfahren. Als monatlicher In-House-Newsletter enthält er Neuigkeiten, Termine, Tipps und Fundstücke in Text- und Videoformat. Die Koordination und Redaktion für den Bibletter liegt beim Kommunikationsteam, Inhalte und Beiträge können alle Kolleg*innen vorschlagen.
Ein wichtiges Anliegen zur Verbesserung der Kommunikation war auch eine niedrigschwelligere Kommunikation zwischen Hierarchie-Ebenen, insbesondere mit dem Leitungsteam. Zwei konkrete Maßnahmen aus diesem Bereich wurden bereits eingeführt. Alle Mitglieder des Leitungsteams bieten regelmäßig offene Gesprächstermine an, die unter Pandemie-Bedingungen digital als „Offene Webex-Tür“ stattfinden. Hier können alle Mitarbeitenden ohne Terminvereinbarungen ihre Anliegen vortragen oder Ideen besprechen. Außerdem schreiben die vier Mitglieder des Leitungsteams wechselseitig einen Wochenrückblick im internen Blog, um bessere Einblicke in die aktuellen Themen zu geben, die von der Leitung bearbeitet werden, aber auch um Raum für persönliche Perspektiven zu schaffen.
Neben der Einführung und Anpassung konkreter Kommunikationsroutinen ist im Verlauf des Change-Projekts eine spürbare Veränderung der Kommunikationskultur auf den Weg gebracht worden. Im Sinne der in der neuen Strategie formulierten Werte sind alle Veranstaltungen im Rahmen des Projekts so angelegt gewesen, dass sie gegenseitigen Austausch befördern, Offenheit anstreben und die Universitätsbibliothek als Gemeinschaft stärken.
Dies bedeutet zum Beispiel, dass in der Planung von Gruppenarbeiten Wert darauf gelegt wurde, nicht nur Expert*innen zusammenzubringen, sondern möglichst häufig auch den Austausch zwischen Kolleg*innen anzuregen, die sich im Arbeitsalltag nicht begegnen. Durch die punktuelle Zusammenarbeit in Workshops wird so der Grundstein für eine längerfristig vereinfachte Zusammenarbeit gelegt.
Darüber hinaus sind in vielen projektbezogenen Aktivitäten die Prinzipien des Agilen Arbeitens zum Einsatz gekommen und in einem Workshop auch aktiv vorgestellt worden.
Ein weiterer Schwerpunkt in der Kommunikation war Offenheit und Transparenz. Einige Gruppen, wie zum Beispiel das Strategie-Team und das Leitungsteam, haben mitunter sensible Inhalte diskutiert, die auch Personalentscheidungen betreffen, und haben ihre Treffen deswegen nicht öffentlich dokumentiert. Für den Großteil der Veranstaltungen im Projektkontext galt aber eine größtmögliche Offenheit in zwei Dimensionen: Zum einen war die Anzahl der Teilnehmenden nicht begrenzt und die Teilnahme war an keine bestimmten fachlichen Voraussetzungen geknüpft. Zum anderen wurden alle Veranstaltungen über das interne Wiki dokumentiert und (seit Pandemiebeginn sogar ohne Zeitverzögerung) für alle Kolleg*innen frei verfügbar gemacht. Diese Praxis der Offenheit hat die Erwartungen und die Routinen im offenen Umgang mit Arbeitsergebnissen innerhalb der Universitätsbibliothek bereits verändert und wird in Zukunft aktiv weiter ausgebaut werden.
Weitere Elemente des Organisationsdesigns
Das Themenfeld „Geschäftsprozesse“ bezieht sich auf die konkreten Abläufe in einer Organisation. Im Rahmen des Projekts wurde das Konzept der kundenorientierten Prozesse eingeführt: Jeder unserer Hauptprozesse nimmt Bezug auf Bedürfnisse von und Dienstleistungen für die Nutzenden der Universitätsbibliothek. Die Hauptprozesse sind Unterstützung für Lehrende, Forschende und Studierende und bieten den Rahmen für eine Vielzahl von Teilprozessen mit Schnittstellen und Übergabepunkten. Darüber hinaus gibt es Unterstützungsprozesse, wie z.B. in der Verwaltung, und Steuerungsprozesse. Mit der Einführung eines Kurzprofils zur Beschreibung von Teilprozessen wurde der methodische Grundstein gelegt, um an die Veränderung und Schaffung von Abläufen mit einem geteilten Verständnis herangehen zu können.
Auch „Infrastrukturen“ sind Teil des Organisationsdesigns und beinhaltet sowohl klassische Ausstattungen und Räumlichkeiten als auch Technologien und Kommunikationswerkzeuge. Im Rahmen des Projekts wurden – unter anderem bedingt durch die Pandemie-Umstände – keine großen Infrastrukturveränderungen durchgeführt. Als Grundlage zur Ermittlung von Infrastrukturbedarfen wurde allerdings eine an Prozesse gekoppelte Methode zur Beschreibung von Infrastrukturen anhand von Prozessbeschreibungen eingeführt.
Das Thema „Personalsysteme“ lag in der Verantwortung des Leitungsteams. Hier wurden verschiedene Modelle eingeführt und diskutiert, um z.B. Rekrutierung, Personalentwicklung und Kompetenzmanagement zu strukturieren. Als Schwerpunktthemen für die weitere Organisationsentwicklung wurden vier Themenfelder benannt: Personalstrategie, Personalführung, Führungskräfteentwicklung und Personalentwicklung (i.S.v. Kompetenzmanagement und Talent Management). Als wichtiges Element der langfristigen Sicherung vorhandener Kompetenzen und der Gestaltung der Universitätsbibliothek als Gemeinschaft ist es im Projektzeitraum gelungen, insbesondere Kolleg*innen aus den vormaligen CeDiS-Teams nach befristeten Projektstellen unbefristete Verträge anzubieten.
Das abschließende Element „Steuerungssysteme“ wurde ebenfalls vom Leitungsteam bearbeitet und bezieht sich auf Entscheidungsstrukturen, Zielbildungssysteme und die Bereitstellung von Steuerungsinformationen. Wichtigstes Ergebnis des Change-Projekts ist hier die Entscheidung, mit dem Modell der Objectives and Key Results (OKR-Methode) zu arbeiten, um Ziele zu beschreiben und zu deren Erreichung mess- und steuerbar zu machen.
5. Mitgestaltung
Eine besondere Herausforderung der Organisationsentwicklung ist der Einbezug von Mitarbeitenden in den Gestaltungsprozess. Wir haben uns von Anfang an vorgenommen, möglichst viele Optionen zu bieten, dass Mitarbeitende aus allen Abteilungen und Aufgabenbereichen sich aktiv am Change-Projekt beteiligen können. Sowohl in Präsenz-Veranstaltungen des ersten Jahres wie unter den Pandemiebedingen der zweiten Projektphase wurden regelmäßig Veranstaltungen durchgeführt, die prinzipiell für alle Mitarbeitenden der Universitätsbibliothek geöffnet waren. Neben den zentralen Vollversammlungen mit jeweils etwa 200 Teilnehmenden gab es verschiedene Workshop-Formate von sehr kleinen Runden bis hin zu etwa 80 Kolleg*innen.
Die größeren Veranstaltungen wurden mit verschiedenen Zielsetzungen durchgeführt. Zu Beginn des Projekts ging es zum Beispiel zunächst darum, den Status Quo zu erheben. Auch im Workshop zu Geschäftsprozessen war die Feststellung eines Ist-Zustands eines der zentralen Veranstaltungsziele. Einige Termine mit großer Beteiligung dienten dazu, grundlegende Ideen zu sammeln. Vor allem in der Strategiephase war hier der erste große Workshop wichtig, um die Visionen der Kolleg*innen für die Zukunft der Organisation zu schärfen. Im weiteren Verlauf der Strategie-Entwicklung wurden größere Workshops durchgeführt, um zum ersten Strategie-Entwurf von Kolleg*innen und Nutzenden Feedback einzuholen. Schließlich gab es aber auch Formate, in denen ganz konkrete umzusetzende Inhalte erarbeitet wurden. Im Workshop zum Element „Kommunikationsprozesse“ wurde zum Beispiel das spezifische Format der UB-internen Newsletters erarbeitet.
Darüber hinaus gab es im Projektkontext an verschiedenen Stellen die Möglichkeit, dass die kontinuierliche Arbeit in kleineren Gruppen mit explizitem Auftrag oder selbstgewählten Zielen umgesetzt wurde. Dies war insbesondere in der letzten Phase der Ausarbeitung des Organisationsdesigns relevant. Hier haben sich im Auftrag der Leitung Gruppen zum Beispiel mit der konkreten Ausgestaltung der neu gegründeten Abteilungen auseinandergesetzt.
Ein wichtiges Element der Mitgestaltung aus Sicht der Projektkoordination war und ist die transparente Kommunikation über alle Veranstaltungen und eine möglichst einfach zugängliche Dokumentation aller Projektergebnisse. Von Anfang an haben wir die Möglichkeiten unseres hausinternen Wiki-Systems genutzt, um nach Möglichkeit in Echtzeit alle Veranstaltungen zu begleiten und zu dokumentieren. Neben der Dokumentation in schriftlicher Form und bei Informationsveranstaltungen auch als Videoaufzeichnungen haben wir in der letzten Projektphase außerdem regelmäßig zusätzliche Kurztermine angeboten, in denen wir die Ergebnisse der Workshops zusammengefasst und zur Diskussion gestellt haben. Dieses Format hat sich als sehr produktiv herausgestellt und wir möchten es auch für zukünftige Veranstaltungen verwenden.
Der Einbezug aller Kolleg*innen in den Change-Prozess ist durch die Bedingungen der Corona-Pandemie erheblich erschwert worden, wie wir weiter unten darlegen werden. Aber auch unabhängig von der Unmöglichkeit des direkten persönlichen Kontakts in Gruppen für den Großteil der Projektlaufzeit, stellte das Thema Mitgestaltung eine der größten Herausforderungen für unser Vorhaben dar.
Die Beteiligung aller Mitarbeitenden in große Veränderungsprozesse ist unter verschiedenen Vorzeichen möglich. Rückblickend ist uns deutlich, dass klare Unterscheidungen zwischen „Mitmachen“, „Mitreden“ und „Mitentscheiden“ gezogen werden müssen. In der Realität eines Veränderungsprozesses, der unter den Rahmenbedingungen einer öffentlichen Einrichtung wie unserer Universitätsbibliothek stattfindet, hängen Letztentscheidungen häufig von einer Vielzahl von komplexen Faktoren ab. Dazu gehören administrative Rahmenbedingungen und Grenzen, strategische Vorgaben der Universität, aber auch die Positionen beteiligter Einzelpersonen und deren Stellenprofile.
Wir haben uns schließlich für ein Modell entschieden, in dem für große Entscheidungen kleinere Gruppen mit explizitem Auftrag die Vorarbeiten geleistet haben, auf deren Grundlage die Leitung dann, unter Berücksichtigung der vielfältigen Rahmenbedingungen, die endgültigen Entscheidungen getroffen hat. Auch wenn dieses Modell zu einer Vielzahl von tragfähigen Entschlüssen geführt hat, ist dieser Prozess auch mit einer Reihe von Enttäuschungen verbunden gewesen. Kolleg*innen, die sich zunächst mit großem Elan in den Prozess eingebracht haben, sahen sich frustriert und ausgebremst, auch wenn ihre Vorstellungen und Lösungsvorschläge tatsächlich einen sehr großen Beitrag zu den Veränderungsgeschehnissen geleistet haben.
Ein weiteres herausforderndes Element ist die organisationale Ebene, auf der die ersten Veränderungen stattfinden. In der Wahrnehmung einiger Mitarbeiter*innen war hier die Entfernung vom Tagesgeschäft zu groß. Viele Kolleg*innen sind zu Projektbeginn mit sehr konkreten Vorstellungen und Anliegen an uns herangetreten, die eine direkte Verbesserung ihres konkreten Arbeitsalltags zum Inhalt hatten. Tatsächlich ist es im Projektzuschnitt, so wie er von Anfang an geplant war, allerdings ein langer Weg von der Strategie über das Organisationsdesign hin zu einer operationalisierbaren Entscheidung auf der Ebene konkreter Prozesse und Routinen. Die Bearbeitung vieler dieser Themen findet jetzt nach Projektabschluss statt.
6. COVID-19-Pandemie
Die Arbeit am Projekt begann zum Jahreswechsel 2018/2019 und der offizielle Projektbeginn war im Mai 2019, der offizielle Projektabschluss lag im Mai 2021. Bereits neun Monate nach Projektbeginn, im März 2020, begannen die umfangreichen Einschränkungen des öffentlichen Lebens, um die Ausbreitung der Covid-19-Pandemie zu verhindern. Diese Einschränkungen führten dazu, dass wie in vielen anderen Organisationen auch, die Arbeit in der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin innerhalb weniger Tage auf einen reinen Online-Betrieb umgestellt wurde und im weiteren Verlauf der Pandemie, die zum Projektende im Mai 2021 noch nicht vorüber war, verschiedene Grade von Öffnung und Schließung im Wechsel zwischen Präsenz und virtueller Kommunikation umgesetzt wurden.7 Alle Großveranstaltungen und Workshops des Projekts wurden in diesem Zeitraum ausschließlich virtuell durchgeführt. Nur kleinere Arbeitsgruppen und zum Beispiel die Arbeit des Leitungsteams wurden in Phasen niedriger Inzidenzahlen auch unter Einhaltung von Hygienekonzepten in Präsenz durchgeführt. Dies bedeutete, dass die meisten der existierenden Kommunikations- und Beteiligungsprozesse ins Digitale überführt werden mussten.
Neben der grundsätzlichen Belastung, die während der Pandemie alle beruflichen und privaten Situationen geprägt und erschwert hat, waren einige Bereiche der Universitätsbibliothek einer großen Mehrfachbelastung ausgesetzt: Zum einen waren die Kolleg*innen in der Benutzung unter zusätzlicher Anforderung, da sie die sich in hohem Tempo verändernden Rahmenbedingungen des Landes und der Universität umsetzen mussten, um den Nutzenden ein sicheres Angebot machen zu können. Zum anderen waren die Kolleg*innen aus den Bereichen E-Learning und E-Examination unter massivem zusätzlichen Druck, da sie das zentrale Videokonferenzsystem der Freien Universität Berlin betreiben und die Infrastrukturen für digitale Prüfungen bereitstellen. Beide Services erlebten während der Pandemie einen steilen Zuwachs an Nachfrage und Anforderungen. Dies hatte zu Folge, dass alle Mitarbeitenden, aber insbesondere die Kolleg*innen aus diesen Bereichen wesentlich weniger Kapazitäten zur Verfügung hatten, um sich an den projektbezogenen Aktivitäten zu beteiligen.
Während sich viele Formate, die in den Projektworkshops zur Anwendung kamen, sinnvoll in digitale Varianten übersetzen ließen, wurden alle sozialen Komponenten des Veränderungsprozesses massiv erschwert. Auch wenn Kolleg*innen weiterhin zusammenarbeiten konnten, neue Personen kennen- und schätzen gelernt haben und auch während der Pandemie neue Teamkonstellationen erfolgreich ihre Arbeit aufgenommen haben, fehlte eine Dimension des Persönlichen. Eine besondere Herausforderung stellte die Pandemie-Situation immer dann dar, wenn Konflikte und Meinungsverschiedenheiten ausgetragen wurden. Viele Elemente von empathischer Kommunikation sind in Videokonferenzen und virtuellen Treffen nicht anwendbar. Diese fehlende Nähe hat die Projektarbeit wesentlich erschwert.
Im Zuge dieser zusätzlichen Herausforderungen durch die Pandemie hat die Projektleitung entschieden, die Projektziele leicht anzupassen. Hier sind vor allem zwei große Entscheidungen getroffen worden: Zum einen ist die ausführliche Diskussion um die zukünftige Organisation der Fachbibliotheken auf einen späteren Zeitpunkt verschoben worden. Insbesondere die Planung von zukünftigen Raumnutzungskonzepten erschien unter Bedingungen, welche das Betreten dieser Räume meist unmöglich machte, nicht sinnvoll. Zum anderen ist die ursprünglich geplante dritte Phase der „Umsetzung des Organisationsdesigns“ auf die Zeit nach Ende des Projekts verschoben worden. Innerhalb des Projekts wurden somit noch alle richtungsweisenden Entscheidungen getroffen, die Implementierung in der Praxis erfolgt aber im Anschluss unter Leitung der jeweiligen Verantwortlichen ohne die zentrale Koordination durch das Projektbüro.
7. Blick nach vorn
Als konkrete nächste Schritte nach Projektabschluss ergibt sich vor allem die Umsetzung des während des Projekts erarbeiteten Organisationsdesigns. Konkret bedeutet dies, dass Arbeitsgemeinschaften und Teams innerhalb der neu geschaffenen Strukturen im Sinne der erarbeiteten Strategie die konkrete Ausgestaltung von z.B. Kommunikationsprozessen und Infrastrukturveränderungen planen und umsetzen.
Eine große Aufgabe für die nächsten Monate nach Projektabschluss ist außerdem die Erarbeitung eines umfassenden Service-Portfolios für alle Bereiche der Universitätsbibliothek und die Einführung eines systematischen Portfolio-Managements. So werden alle angebotenen Dienstleistungen nicht nur sichtbar, sondern auch regelmäßig evaluiert, angepasst und ggf. beendet.
Das Projekt „Wandel@FU-Bib“ war von vornherein so konzipiert, dass es den Beginn für eine systematischere, planvollere Organisationsentwicklung für die Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin darstellt. Im Anschluss an das Projekt ist deswegen der wichtigste nächste Schritt, Organisationsentwicklung als Daueraufgabe zu etablieren und die verantwortlichen Akteur*innen klar zu benennen.
Im Laufe des Projekts ist deutlich geworden, dass Organisationsentwicklung im Sinne des Selbstverständnisses der neuen Universitätsbibliothek nicht die Verantwortung einer einzelnen Person, z.B. in Form einer Stabstelle, sein kann. Da die Verbindung der gesamten Organisation als einer Gemeinschaft ein wichtiges Element der Universitätsbibliothek darstellt, muss Organisationsentwicklung in der Breite verankert sein. Die Verantwortung und Richtlinienkompetenz liegt dabei explizit im Aufgabenbereich des Leitungsteams. Darüber hinaus wird das Leitungsteam ein kleines Team zur operativen Unterstützung einberufen, das sich aus Kolleg*innen verschiedener Abteilungen zusammensetzt.
Die Universitätsbibliothek versteht sich als wichtiger Bestandteil der Freien Universität Berlin, weswegen die neuen Organisationselemente in den kommenden Monaten innerhalb der Universität bekannter gemacht werden sollen. Selbstverständlich gab es bereits während des Projektverlaufs umfassenden Austausch, insbesondere mit der Universitätsleitung. Darüber hinaus sind Gespräche mit allen Abteilungen der Zentralen Universitätsverwaltung und mit den Fachbereichen geplant, um die Neuerungen fest in der Universität zu verankern.
Die Arbeit an einer planvollen Organisationsentwicklung hat einmal mehr deutlich gemacht, dass Lernprozesse nicht nur innerhalb, sondern auch zwischen verschiedenen Einrichtungen stattfinden. Im Projektverlauf hat sich dies am deutlichsten durch eine Studienreise nach Leiden, Utrecht und Rotterdam in den Niederlanden gezeigt.8 Darüber hinaus gab es eine Vielzahl an Gesprächen und Austausch mit Vertreter*innen anderer Bibliotheken, Universitäten und Forschungseinrichtungen. Für eine dauerhafte, erfolgreiche Organisationsentwicklung ist deswegen geplant, die regionale, nationale und internationale Vernetzung der Universitätsbibliothek weiter auszubauen und über die Zukunftsfähigkeit unserer Organisationen im Gespräch zu bleiben.
Literaturverzeichnis
- Berlin University Alliance, <http://www.berlin-university-alliance.de/>, Stand 24.11.2021.
- Brandtner, Andreas; Lee, Martin; Riesenweber, Christina: Organisationsentwicklung und Corona-Krise: Digitale Übersetzungen in einem großen Change-Projekt, in: B.I.T. online – Bibliothek. Information. Technologie 23 (2020), S. 246–248.
- Brandtner, Andreas; Lee, Martin; Riesenweber, Christina; Tatai, Andrea: Internationaler Dialog zur Organisationsentwicklung. Studienreise des Teams Wandel@ FU-BiB der Freien Universität Berlin in die Niederlande, in: BuB. Forum Bibliothek und Information. 10/2019, S. 594–597, <https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0290-opus4-169815>.
- FUtureIT – für eine service- und zukunftsorientierte IT an der Freien Universität Berlin, <https://www.fu-berlin.de/sites/futureit/index.html>, Stand 24.11.2021.
- Lee, Martin; Riesenweber, Christina: Strategy development for the library system of Freie Universität Berlin, in: o-bib. Das Offene Bibliotheksjournal, 7.4 (2020), 1–9. <https://doi.org/10.5282/o-bib/5626>.
- Nagel, Reinhart: Organisationsdesign. Modelle und Methoden für Berater und Entscheider, Stuttgart, 2017.
- osb international systemic consulting, <https://www.osb-i.com/>, Stand 24.11.2021.
- Strategie [der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin] 2020–2025, <https://www.fu-berlin.de/sites/ub/ueber-uns/strategie/>, Stand 24.11.2021.
3 Vgl. Nagel, Reinhart: Organisationsdesign. Modelle und Methoden für Berater und Entscheider, Stuttgart, 2017.
4 Lee, Martin; Riesenweber, Christina: Strategy development for the library system of Freie Universität Berlin, in: O-Bib. Das Offene Bibliotheksjournal, 7.4 (2020), 1–9. <https://doi.org/10.5282/o-bib/5626>.
7 Siehe unser Artikel Brandtner, Andreas; Lee, Martin; Riesenweber, Christina: Organisationsentwicklung und Corona-Krise: Digitale Übersetzungen in einem großen Change-Projekt, in: B.I.T. online – Bibliothek. Information. Technologie 23 (2020), S. 246–248.
8 Brandtner, Andreas; Lee, Martin; Riesenweber, Christina; Tatai, Andrea: Internationaler Dialog zur Organisationsentwicklung. Studienreise des Teams Wandel@ FU-BiB der Freien Universität Berlin in die Niederlande, in: BuB. Forum Bibliothek und Information. 10/2019, S. 594–597, https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0290-opus4-169815.