Der Zertifikatskurs Forschungsdatenmanagement in NRW
Eine modular aufgebaute Weiterqualifikation für das professionelle Datenmanagement
1. Ausgangslage
Im Zuge der Digitalisierung der Wissenschaft verändern sich die Methoden zur Erkenntnisgewinnung und Informationserschließung. Während ursprünglich ausschließlich analoge bzw. mechanische Verfahren genutzt wurden, nimmt der Anteil von digitalen Forschungsdaten und damit verbundenen Prozessen rasant zu.1 In diesem Kontext gewinnt das Handlungsfeld des Forschungsdatenmanagements (FDM) an zentraler Bedeutung, um wertvolle Forschungsdaten nachhaltig zu sichern und sie für eine weitere Verwendung im Forschungszyklus zu halten. Hierdurch werden aber auch neue Herausforderungen für wissenschaftliche und infrastrukturelle Einrichtungen geschaffen: Um digitale Forschungsdaten reproduzierbar zu verarbeiten und für eine Nachnutzung aufzubereiten, bedarf es nicht nur entsprechender technischer Informations- und Analyseinfrastrukturen, sondern vor allem Personen, die über fundierte Kompetenzen verfügen, verschiedene Zielgruppen zu einem nachhaltigen Umgang mit Forschungsdaten und zur Nutzung einschlägiger Infrastrukturen zu beraten und zu schulen. Ein systematischer Auf- und Ausbau solcher Kompetenzen wurde bereits 2016 vom Rat für Informationsstrukturen (RfII) mit der Empfehlung formuliert, neue Berufsbilder, Studiengänge und Qualifizierungswege zu schaffen.2 Die stetig wachsende Nachfrage nach Personal mit einschlägigen Expertisen zeigt, dass dieses Desiderat nach wie vor besteht.
Dieser Bedarf ergibt sich aus der Bildung standortbezogener Infrastrukturen und überregionaler Strukturen, Netzwerke und Organisationen, die von einzelnen Hochschulen oder Forschungszentren über FDM-Landesinitiativen und der Einrichtung der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) bis zur Bildung internationaler Zusammenschlüsse wie der European Open Science Cloud (EOSC) reichen. Die NFDI hat den Auftrag, für die gesamte deutsche Forschungsgemeinschaft Lösungen für die effiziente Speicherung, Analyse und Nachnutzung von Forschungsdaten zu finden. Der Start der NFDI mit inzwischen 19 der 30 fachlich oder methodisch ausgerichteten Konsortien3 befeuert die Nachfrage nach FDM-versiertem Personal maßgeblich und adressiert das Thema einer entsprechenden Qualifizierung im Rahmen der Querschnittsthemen der NFDI (u. a. die Sektion „Training & Education“).4 Auf europäischer Ebene findet die NFDI ihr Pendant in der European Open Science Cloud (EOSC), deren Ziel es ist, Forschenden in Europa eine verteilte, offene und multidisziplinäre Forschungsumgebung zu bieten, in der sie Daten, Werkzeuge und Dienste für Forschungs-, Innovations- und Bildungszwecke veröffentlichen, finden und nachnutzen können.5
Im Hinblick auf erforderliche Kompetenzen der im FDM-Kontext agierenden Personen gilt es, auf sehr unterschiedliche Bedarfe – abgestimmt auf den jeweiligen beruflichen Kontext – zu reagieren. In Ergänzung zur zuvor erwähnten Empfehlung von 2016 betonte der RfII auch 2019 die Bedeutung vom „Erwerb von Zusatzkompetenzen auf der Basis von Fort- und Weiterbildungen zur Übernahme neuer oder veränderter Aufgaben im Berufsalltag. [...] Denn es ist zu erwarten, dass sich die Anforderungen auch im Rahmen neuer Digitalberufe künftig sehr schnell wandeln.“6
Die Komplexität des Forschungsdatenmanagements – vor dem Hintergrund individueller und forschungskontextbezogener Anforderungen gepaart mit der dynamischen Entwicklung der Infrastrukturen im Zuge der NFDI oder EOSC – führt zu einem steigenden Bedarf an Personen, die Forschende umfassend beim Forschungsdatenmanagement unterstützen, Policies und Informationsinfrastrukturen (mit)entwickeln und die Kommunikation zwischen Vertreter*innen der forschungsnahen Infrastrukturen (u. a. Bibliotheken, Rechenzentren, Forschungsförderung) und den Forschenden gestalten. Die damit einhergehenden Herausforderungen lassen sich exemplarisch an der in FDM-Prozessen angestrebten Umsetzung der FAIR-Data-Prinzipien verdeutlichen, nach denen Forschungsdaten auffindbar (Findable), zugänglich (Accessible), interoperabel (Interoperable) und nachnutzbar (Reusable) sein sollen.7 Die Einhaltung dieser Kriterien bewegt sich oftmals im Spannungsfeld technischer Möglichkeiten und gegenläufiger Vorgaben. So gibt es Rahmenbedingungen, die eine Publikation von Forschungsdaten verhindern, beispielsweise patentrechtliche Einschränkungen oder die Datenschutzbestimmungen bei personenbezogenen Daten.
Es ist daher ein zentrales Anliegen für die Etablierung eines nachhaltigen Forschungsdatenmanagements, berufsbegleitende und strukturierte Möglichkeiten zum Kompetenzaufbau und -ausbau einzurichten. In den vergangenen Jahren wurden erste Ansätze geschaffen, indem beispielsweise Zertifikatskurse zum Berufsfeld Data Librarian eingerichtet wurden.8 Obwohl diese Angebote zum Teil Aspekte aus dem FDM-Kontext behandeln, widmen sie sich nicht exklusiv dem Berufsfeld des Forschungsdatenmanagements. In diese Lücke stößt der Zertifikatskurs „Forschungsdatenmanagement“ in Nordrhein-Westfalen (NRW), der als Säule eines flächendeckenden Aufbaus von FDM in NRW als Arbeitspaket in die Handlungsfelder der Landesinitiative fdm.nrw integriert wurde. Neben dem Kursangebot für die Beschäftigten aus NRW werden mit dem Zertifikatskurs „Forschungsdatenmanagement“ adaptierbare Strukturen und Modulinhalte vorgelegt.9 Diese können und sollen von verschiedenen Einrichtungen und (Bundes)Ländern für eigene Weiterbildungsprogramme genutzt werden, um so kurz- und mittelfristig eine flächendeckende Weiterbildung von aktuellem und künftigem Personal im FDM über NRW hinaus zu erzielen.
2. Ziele und Zielgruppen
Der Zertifikatskurs hilft dabei, das dafür benötigte qualifizierte Personal in ausreichendem Umfang zu gewährleisten und die Hochschulen in NRW „FDM-fit“ zu machen. Zudem wird für das neue Berufsfeld eine kompakte, strukturierte und qualitätsgesicherte Weiterbildung geschaffen, mittels derer die derzeitigen Quereinsteiger*innen und thematischen Pionier*innen sich professionalisieren und ihre gesammelte Erfahrungspraxis in „common knowledge“ verwandeln können.
Der Zertifikatskurs spricht also eine einrichtungsunabhängige, forschungsnahe Zielgruppe an, die – verortet an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Bibliotheken und Rechenzentren – heterogene Bedarfe in Bezug auf Weiterbildungen formuliert. Um diese näher zu spezifizieren, führte die Landesinitiative fdm.nrw zwischen 2019 und 2021 explorative Gespräche mit Beschäftigten aus forschungsnahen Infrastruktureinrichtungen in NRW durch. So konnte ein breites Spektrum an Anforderungen gesichtet werden, welches inhaltlich von FDM-Grundkenntnissen, über Einführungen zu Tools wie Elektronischen Labornotizbüchern und Versionierungssystemen, rechtlichen Aspekten rund um das FDM oder zielgerichteten Förderprogrammen bis hin zu erprobten Strategien reicht. Zudem gilt es, dieses Wissen verschiedenen Zielgruppen über Schulungen und andere Informationsformate zu vermitteln. Insbesondere aus dem NFDI-Kontext ergibt sich darüber hinaus die Anforderung, eine Kombination aus disziplinspezifischen Qualifikationen mit Erfahrungen und Kenntnissen des Datenmanagements zu einem optimalen Kompetenzprofil zu vereinen, da die disziplinspezifischen Anforderungen sowohl in den NFDI-Konsortien als auch im Forschungsdatenmanagement insgesamt so verschieden wie für die Umsetzung ausschlaggebend sind.
Auf der Basis dieser Vorüberlegungen und Abfragen lässt sich die Zielgruppe des Zertifikatskurses in zwei Personenkreise unterteilen:
Der erste Kreis umfasst Beschäftigte aus Infrastruktureinrichtungen, also aus bereits vorhandenen oder aufzubauenden FDM-Kontaktstellen sowie aus weiteren forschungsnahen Arbeitsbereichen wie Bibliotheken, Rechenzentren oder der Forschungsförderung. Innerhalb dieser Personengruppe lassen sich heterogene Bildungshintergründe identifizieren, die von Berufsausbildungen im Bereich Informationsmedien über unterschiedliche Studienabschlüsse bis hin zu abgeschlossenen Promotionen reichen. Je nach Aufgabenbereich, Bereichszugehörigkeit und Position kann der berufserfahrungsbedingte Anknüpfungspunkt zum FDM mehr oder weniger stark ausgeprägt sein. Personen aus dieser Gruppe werden oftmals mit zentralen oder hochschulpolitischen Aufgaben betraut, worunter generische Beratungs- und Schulungsangebote wie auch die Etablierung einer Forschungsdaten-Policy fallen. Oftmals werden diese Personen als zentrale bzw. generic Data Stewards bezeichnet.10
Der zweite Personenkreis setzt sich aus Forschenden bzw. Multiplikator*innen aus den Fach- und Forschungsbereichen zusammen. Diese Personen verfügen in der Regel über einen Master (oder vergleichbaren) Abschluss, sind oftmals in ihrer Promotionsphase oder arbeiten als Postdocs. Teilweise verfügen sie über ein Spezialwissen, welches sich auf fach- bzw. datenspezifische Aufgaben und Prozesse bezieht; dabei ist ihre Kenntnis über zentrale bzw. übergeordnete Infrastrukturen unterschiedlich stark ausgeprägt. Je nach Stellenprofil werden diese Personen als dezentrale bzw. embedded Data Stewards bezeichnet, wobei der Übergang zu zahlreichen weiteren Tätigkeitsbeschreibungen fließend ist. (u. a. Data Scientists, Data Analysts).11
Zusammenfassend wird mit dem Zertifikatskurs „Forschungsdatenmanagement“ eine strukturierte Vermittlung von FDM-Grundkenntnissen, FDM-bezogenen Tools und Erfahrungswerten sowohl für Beschäftigte in Infrastruktureinrichtungen als auch von Forschenden aus NRW angestrebt. Der Fokus liegt auf einem generischen Ansatz, der durch Beispiele aus einzelnen Fachdisziplinen ergänzt wird. Zudem wird den Teilnehmenden die Möglichkeit der individuellen Differenzierung gegeben, die an das thematische Interesse, das jeweilige Aufgaben- bzw. Einsatzgebiet oder auch Perspektiven für eine berufliche Weiterentwicklung angepasst werden können. Ein übergeordnetes Ziel des Kurses besteht darin, die der Zielgruppe innewohnende Diversität der beruflichen und institutionellen Kontexte abzubilden und den Austausch unter den Teilnehmenden facettenreich und informativ zu gestalten.
3. Organisation und Konzeption
Die an der Konzeption beteiligten Institutionen, Technische Hochschule Köln, ZBIW – Zentrum für Bibliotheks- und Informationswissenschaftliche Weiterbildung, ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften und die Landesinitiative für Forschungsdatenmanagement – fdm.nrw, ergänzen sich in ihren Expertisen, Erfahrungswerten und Zugängen zum FDM, die sie in die gemeinsame Entwicklung und Durchführung des Zertifikatskurses einfließen lassen. Das ZBIW verfolgte als ein bundesweit agierendes Weiterbildungszentrum für Beschäftigte öffentlicher und wissenschaftlicher Bibliotheken und anderer Informationseinrichtungen – eingebunden in das Institut für Informationswissenschaft der TH Köln – bereits seit längerem das Ziel, das Portfolio der Angebote in Richtung Data Science und verwandter Themen zu erweitern. Zusammen mit ZB MED wird seit 2019 der Zertifikatskurs „Data Librarian“ angeboten12, der sich explizit an Beschäftigte aus wissenschaftlichen Bibliotheken richtet, um Computational Thinking sowie die Fähigkeiten für die praktische Anwendung zu vermitteln. Dabei wird das Forschungsdatenmanagement jedoch nur als Teilaspekt im Rahmen eines Moduls behandelt.
Die dringlichen Rückmeldungen aus den Hochschulen sowie die voranschreitende Entwicklung der NFDI veranlassten die Landesinitiative fdm.nrw dazu, strukturierte Weiterbildungen zu schaffen, mit denen die Beschäftigten der forschungsnahen Dienste der Hochschulen für neue Aufgaben im FDM qualifiziert werden sollen. Im Frühjahr 2019 verständigten sich die TH Köln, ZBIW, ZB MED und fdm.nrw durch einen Letter of Intent auf eine gemeinsame Entwicklung eines Zertifikatskurses „Forschungsdatenmanagement“ und implementierten zur Umsetzung dieser einrichtungsübergreifenden Kooperation einen Lenkungskreis aus Vertreter*innen der Technischen Hochschule Köln (TH Köln), dem dort ansässigen ZBIW, ZB MED sowie fdm.nrw. Von der ersten Absichtserklärung bis hin zum Beginn der ersten Durchführung des Zertifikatskurses „Forschungsdatenmanagement“ dauerte es ungefähr zwei Jahre.
Die Module sollten von ausgewiesenen Expert*innen aus ganz Deutschland für die verschiedenen Themenbereiche im FDM inhaltlich und organisatorisch gestaltet werden. Neben der Konzeption des Kursaufbaus und der Entscheidung, welche Inhalte abzudecken sind, galt es deshalb frühzeitig, geeignete Referent*innen zu finden. Fixiert wurde die Beteiligung auf Basis von Honorarverträgen, die über das ZBIW koordiniert und erstellt wurden. Darüber hinaus bietet das ZBIW zur Qualitätssicherung Schulungen für die Referent*innen an, in denen u. a. didaktische Empfehlungen und Tipps zur Entwicklung von Selbstlerninhalten thematisiert werden.
Das Auswahlverfahren für die 15 Kursteilnehmenden wurde ab Herbst 2020 erarbeitet. Als maßgebliche Kriterien wurde festgehalten, dass jede Kohorte die Diversität der Zielgruppe wiederspiegeln soll, dass die Inhalte in der Tätigkeit der Teilnehmenden direkt anwendbar sein sollen und dass die Teilnehmenden an einer Einrichtung in NRW beschäftigt sind. Letzteres bildet die Voraussetzung für den Erhalt eines Stipendiums zur weitgehenden Kompensierung der Teilnahmegebühren (bereitgestellt als Fördermittel der Digitalisierungsoffensive NRW). Weitere Informationen zum Bewerbungsprozess sowie das von allen Organisator*innen und Referent*innen erarbeitete Modulhandbuch sind auf der Website des ZBIW hinterlegt.13
Der Zertifikatskurs besteht aus Selbstlernphasen und 12 Live-Terminen, die größtenteils virtuell über die Videoplattform Zoom durchgeführt werden. Das ZBIW hat für den Zertifikatskurs mehrere digitale Kursräume auf Moodle eingerichtet, in denen zum einen die Kommunikation zwischen Teilnehmer*innen, Referent*innen und Organisator*innen stattfindet, zum anderen werden hierüber die Lernmaterialien und Aufgaben der Selbstlernphasen bereitgestellt. Zusätzlich gibt es einen Kursraum, in dem sich die Organisator*innen des Kurses und die Referent*innen untereinander austauschen können.
Die umfangreichen Selbstlernphasen werden von den Referent*innen der jeweiligen Module gestaltet. Dahinter steht das Konzept des flipped classroom. So erarbeiten sich die Teilnehmenden Lehrinhalte in Vorbereitung auf die gemeinsamen Live-Termine. Hierbei kommen verschiedene Materialien und Medien zum Einsatz, zu denen Lehrvideos, Präsentationen, Skripte, Linksammlungen, Lektüren oder interaktive Whiteboards zum Sammeln von Fragen und Hinweisen zählen. Flankierend gibt es Übungs- und Praxisaufgaben, mit denen die Teilnehmenden Kenntnisse einüben und vertiefen können und die Möglichkeit erhalten, ihren individuellen Wissensstand zu überprüfen.
Die Live-Termine werden von den Referent*innen primär genutzt, um die jeweiligen Inhalte und die Selbstlernphasen aufzugreifen und den Teilnehmenden Raum für Austausch und Diskussionen zu bieten. Präsenzphasen sind zum einen zu Beginn des Kurses vorgesehen, um das Kennenlernen und die Gruppenfindung der Teilnehmenden zu fördern. Zum anderen findet ein gemeinsamer Abschluss statt, in dessen Rahmen die Teilnehmenden ihre Projektarbeiten präsentieren und einen reflektierenden Blick auf den gesamten Zertifikatskurs werfen.
4. Module und Kursinhalte
Die Kursstruktur folgt der Einteilung in einführende Module, themenspezifische Erweiterungsmodule und ein abschließendes Projektmodul. Für die Themenbereiche wurde eine Recherche der bereits vorhandenen strukturierten Weiterbildungen und Studiengänge durchgeführt. Als Orientierung dienten insbesondere der Zertifikatskurs „Data Librarian“ an der TH Köln, der (2020 noch in Planung befindliche) Studiengang „Digitales Datenmanagement“ der HU Berlin und FH Potsdam sowie die Online-Module des „MANTRA - Research Data Management Training“ der University of Edinburgh. Die Kooperationspartner erarbeiteten auf Basis der Recherche und angereichert durch Feedback aus der UAG Schulungen/Fortbildungen der AG Forschungsdaten von DINI/nestor die Modularisierung des Zertifikatskurses. Insgesamt umfasst der Zertifikatskurs einen arbeitszeitlichen Umfang von 8 ECTS, also umgerechnet 240 Zeitstunden (1 ECTS = 30 Zeitstunden), der sich auf drei Basismodule, vier von fünf zu wählenden Aufbaumodulen und ein abschließendes Projektmodul verteilt.
Die drei obligatorischen Basismodule bilden die Grundlage für alle Teilnehmenden: Modul 1: Grundlagen des FDM setzt sich zusammen aus dem Train-the-Trainer-Workshop zum Thema Forschungsdatenmanagement14 und einem Auftakttag. Der Train-the-Trainer-Workshop kann auch unabhängig vom Zertifikatskurs – beispielsweise angeboten von fdm.nrw – besucht und voll angerechnet werden. Der Auftakttag dient dem gegenseitigen Kennenlernen der Teilnehmenden und gibt erste thematische Impulse.
Modul 2: Open Science & rechtliche Aspekte behandelt FDM im Spannungsfeld zwischen Transparenz im Sinne der guten wissenschaftlichen Praxis15 und des Datenschutzes. Das Modul beleuchtet (insbesondere mit Blick auf Urheberrecht und Lizenzierung), welche Anforderungen, Rechte und Pflichten beim Umgang mit Forschungsdaten existieren, wie diese (institutionell) umgesetzt werden können und welche Akteure und Initiativen sich in diesem Bereich engagieren.
Modul 3: Forschung, FD & FDM in den Fachgebieten vermittelt einen Einblick in die speziellen Anforderungen an das FDM aus der Perspektive verschiedener Disziplinen. Ausgewählt wurden die Fachbereiche (Bio-)Medizin, Biodiversität, Chemie, Digital Humanities, Ingenieurswissenschaften und die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Für diese befinden sich bereits NFDI-Konsortien im Aufbau, so dass hier auch auf erste bzw. geplante Ergebnisse der Infrastrukturentwicklungen in den fachlichen Konsortien eingegangen werden kann. Zudem erhalten die Teilnehmenden einen Einblick in mehrere Fachbereiche und deren speziellen Aufgaben, Herausforderungen und Lösungen (z. B. bezogen auf Ansätze oder Tools).
An die drei Basismodule schließen sich fünf thematisch-fokussierte Aufbaumodule an, aus denen die Teilnehmenden je nach persönlichem Interesse und Kenntnisstand vier auswählen – oder auf Wunsch auch alle Module besuchen können:
Modul 4: Hacken & experimentieren mit Daten vermittelt Konzepte zum effizienten und reproduzierbaren Bearbeiten von Daten. Ziel ist es hier, die Teilnehmenden mit verschiedenen Werkzeugen vertraut zu machen, aber auch das Bewusstsein für Computational Thinking, Automatisierung und Optimierung der eigenen Prozesse zu schaffen. Das Modul bietet eine Einführung in die Unix-Shell, die Programmiersprache Python und die Versionskontrolle git. Dabei wird auf den Lehrkonzepten von „The Carpentries“16 aufgebaut. Teile dieses Moduls können ebenfalls durch eine Teilnahme an einer vergleichbaren Weiterbildung abgedeckt werden.
Modul 5: (Meta-)Daten verwalten & teilen gliedert sich in die Themen „Daten strukturieren und organisieren“, „Daten finden und nachnutzen“ sowie „Daten teilen und publizieren“. Ausgehend von (disziplinspezifischen) Metadatenstandards und -vokabularien werden Instrumente und Mechanismen zur Recherche von Forschungsdaten analysiert sowie Initiativen vorgestellt, die sich für eine leichtere Auffindbarkeit und Verfügbarmachung von Forschungsdaten einsetzen.17
Modul 6: Technische Infrastruktur beleuchtet die technischen Anforderungen an Repositorien und Speicher-Systeme für Forschungsdaten sowie deren Umsetzbarkeit auf institutioneller Ebene. Hierbei spielen Schnittstellen und technische Formate ebenso eine Rolle wie Zugriffsmechanismen und
Betriebsmodelle. Einen weiteren Schwerpunkt bildet das Thema digitale Langzeitarchivierung bzw. -verfügbarkeit, besonders im Hinblick auf entsprechende Systeme und das OAIS-Referenzmodell als einem der wichtigsten Standards in der digitalen Langzeitarchivierung.18
Modul 7: Daten- & Projektmanagement in der Forschung adressiert die Planung des Forschungsdatenmanagements in Projekten von der Antragsphase bis zur Umsetzung. Dies umfasst zum einen den Aufbau und die Planung eines Förderantrags sowie die Erstellung und Integration eines Datenmanagementplans in diesen Prozess. Zum anderen werden Methoden des Projektmanagements und Werkzeuge für das FDM im Projekt vorgestellt. Dabei werden auch Aspekte der institutionellen Implementierung von FDM berücksichtigt.
Modul 8: FDM-Beratung & Schulung vermittelt zum einen Ansätze, Settings und Strategien für FDM-bezogene Beratungen, zum anderen erhalten die Teilnehmenden einen Überblick zu didaktischen Konzepten und Methoden und wenden diese anhand praktischer Übungen und Fallbeispiele an. Ziel ist, die Teilnehmenden zu befähigen, an ihren jeweiligen Einrichtungen eigenständig zielgruppenorientierte Beratungs- und Schulungsangebote zum Forschungsdatenmanagement zu konzipieren, anzubieten und zu evaluieren.
Um den Kurs erfolgreich mit einem Zertifikat abzuschließen, bearbeiten die Teilnehmenden im Projektmodul (Modul 9) ein Thema mit Bezug zum FDM. Auf diese Weise sollen die Inhalte des Zertifikatskurses vertieft und gleichzeitig das erworbene Wissen angewendet werden. Idealerweise stammt das Projekt aus dem konkreten Arbeitsalltag der Teilnehmenden. Dies kann beispielsweise ein Schulungskonzept, ein Video oder eine Softwarelösung sein. Die Projekte werden in einer Abschlussveranstaltung in Kurzvorträgen den anderen Teilnehmenden vorgestellt und gemeinsam diskutiert. Dies bildet gleichzeitig den Abschluss des Zertifikatskurses.
5. Weiterentwicklung und Vernetzung
Eine ständige Aktualisierung und Weiterentwicklung des Zertifikatskurses „Forschungsdatenmanagement“ ist erforderlich, um auch langfristig den Anforderungen des FDM gerecht zu werden. Neben dem generellen Bedarf, Kursmaterialien auf Basis aktueller Entwicklungen und Standards fortlaufend zu aktualisieren, spielen hier auch zwei Faktoren hinein, die für diesen Arbeitsbereich charakteristisch sind:
Durch die verschiedenen Initiativen und Projekte entwickelt sich das FDM in verschiedene Richtungen, schnell und dynamisch. Das Forschungsdatenmanagement ist und bleibt ein komplexes Arbeitsfeld mit wachsender Spezifikation. Die inhaltliche Gestaltung der Module durch einen Pool ausgewiesener Expert*innen trägt entscheidend dazu bei, den aktuellen Wissensstand im FDM in den Zertifikatskurs einzubinden.
Basierend auf den Initiativen, Projekten und Entwicklungen ergibt sich als zweites Charakteristikum ein hoher, sich fachlich spezialisierender Bedarf an Personal. Übergreifende FDM-Initiativen (wie die NFDI) befinden sich weitgehend noch im Aufbau. Zudem ist das FDM noch nicht flächendeckend an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen Nordrhein-Westfalens etabliert. Gleichzeitig wachsen die Anforderungen an die Forschung, was sich u. a. in neuen DFG-Anforderungen zur Einreichung von Antragsvorhaben und zum Umgang mit Forschungsdaten zeigt.19 Es ist zu erwarten, dass künftige Sonderforschungsbereiche häufiger eigene Expert*innen für FDM einstellen werden. Im Falle der NFDI gibt es nicht nur den Bedarf nach geschultem Personal, sondern auch Ambitionen, diesen durch eigene Weiterbildungsangebote (zumindest teilweise) zu decken. Neben der NFDI-Sektion „EduTrain“20 arbeitet beispielsweise die KonsortSWD-Arbeitsgruppe „Developing and exchanging RDM skills“21 an einer Online-Plattform22, die neben der Bereitstellung von zentralen FDM-Informationen und FDM-Weiterbildungsmodulen auch einen FDM-Zertifikatskurs für (angehende) Beschäftigte in vom RatSWD akkreditierten Forschungsdatenzentren anbieten wird. Hier – wie auch mit anderen Initiativen – bieten sich Möglichkeiten zum Austausch und zu Kooperationen, um die Personalentwicklung und -gewinnung im FDM proaktiv zu gestalten.
Ein Beispiel für den Mehrwert solcher Kooperationen zeigt sich bereits in Österreich: Die Universität Wien und das Projekt FAIR Data Austria23 adaptieren das Konzept des Zertifikatskurses „Forschungsdatenmanagement“ aus NRW derzeit für Österreich. So werden den Teilnehmenden des ab dem Wintersemester 2022 startenden „Zertifikatskurses Data Steward“ in zwei Semestern Kenntnisse und Kompetenzen vermittelt, die für die Rolle von zentral sowie dezentral arbeitenden Data Stewards benötigt werden.24
Die sich ergänzende Expertise der Kooperationspartner kommt auch der Überarbeitung des Zertifikatskurses „Forschungsdatenmanagement“ zugute. Durch ihre Vernetzungsarbeit ist die Landesinitiative fdm.nrw über die Entwicklungen im Land und darüber hinaus informiert; die TH Köln, ZBIW und ZB MED wiederrum sind stark in verschiedene fach- und methodenspezifische Communitys eingebunden. Wahrnehmbare Trends mit Auswirkung auf die Personalentwicklung im FDM in NRW fließen so in den Zertifikatskurs ein. Als Teil der didaktischen Methodik wird das Format systematisch durch das ZBIW evaluiert. Die Ergebnisse werden zum einen kontinuierlich zur inhaltlichen und organisatorischen Weiterentwicklung des laufenden Kurses eingesetzt. Zum anderen fließt das Gesamtfazit, welches im Sommer 2022 vorliegen wird, in den zweiten Durchgang des Kurses ein. Insgesamt trägt die Evaluation dazu bei, den Zertifikatskurs FDM aktuell zu halten und auf die Bedarfe der Zielgruppe abzustimmen.
Basierend auf den Kursevaluationen, entlang der Bedarfe an FDM-Personal (in NRW) und im Austausch mit Initiativen, die vergleichbare Weiterbildungsangebote im FDM erarbeiten, soll der Zertifikatskurs „Forschungsdatenmanagement“ mit der Perspektive, die Zukunft des FDM-Handlungsfeldes zu gestalten, stetig weiterentwickelt werden.
Benjamin Slowig, Landesinitiative fdm.nrw, Duisburg-Essen
Mirjam Blümm, Technische Hochschule Köln
Konrad U. Förstner, ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften und Technische Hochschule Köln
Marvin Lanczek, ZBIW, Technische Hochschule Köln
Birte Lindstädt, ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften, Köln
Rabea Müller, ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften, Köln
Ulrike Nickenig, Landesinitiative fdm.nrw, Duisburg-Essen
Stephanie Rehwald, Landesinitiative fdm.nrw, Duisburg-Essen
Lioba Schreyer, Landesinitiative fdm.nrw, Duisburg-Essen
Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/5833
Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0 International.
1 Kindling, Maxi; Schirmbacher Peter: „Die digitale Forschungswelt“ als Gegenstand der Forschung, in: Information - Wissenschaft & Praxis 64 (2–3), 2013, S. 127–136. Online: <https://doi.org/10.1515/iwp-2013-0017>.
2 Rat für Informationsinfrastrukturen: Leistung aus Vielfalt. Empfehlungen zu Strukturen, Prozessen und Finanzierung des Forschungsdatenmanagements in Deutschland, Göttingen 2016, S. 5–160. Online: <urn:nbn:de:101:1-2019080711032249706218>, Stand: 13.06.2022.
3 NFDI, Nationale Forschungsdaten Infrastruktur. Konsortien, <https://www.nfdi.de/konsortien/>, Stand 13.06.2022.
4 Herres-Pawlis, Sonja; Pelz, Peter; Kockmann, Norbert u. a.: Sektionskonzept zur Einrichtung einer Sektion im Verein Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) e.V. (2.0). Zenodo, 2022, S. 5–13. Online: <https://doi.org/10.5281/zenodo.5599769>.
5 European Open Science Cloud (EOSC). What the European Open Science Cloud is, <https://ec.europa.eu/info/research-and-innovation/strategy/strategy-2020-2024/our-digital-future/open-science/european-open-science-cloud-eosc_en>, Stand: 13.06.2022.
6 Rat für Informationsinfrastrukturen: Digitale Kompetenzen – dringend gesucht! Empfehlungen zu Berufs- und Ausbildungsperspektiven für den Arbeitsmarkt Wissenschaft, Göttingen 2019, S. 20. Online: <https://rfii.de/?p=3883>, Stand: 13.06.2022.
7 Wilkinson, Mark D.; Dumontier, Michel; Aalbersberg, IJsbrand Jan u. a.: The FAIR Guiding Principles for scientific data management and stewardship. Sci Data 3, 160018 2016. Online: <https://www.nature.com/articles/sdata201618,> Stand: 13.06.2022.
8 Universität Innsbruck, <https://www.uibk.ac.at/weiterbildung/universitaetskurse/data-librarian/index.html.de>, Stand: 13.06.2022 und Technische Hochschule Köln, <https://www.th-koeln.de/weiterbildung/zertifikatskurs-data-librarian_63393.php>, Stand: 13.06.2022.
9 Blümm, Mirjam; Förstner, Konrad U.; Lanczek, Marvin u. a.: Der Zertifikatskurs Forschungsdatenmanagement als adaptierbares Aus- und Weiterbildungsangebot, in: Heuveline, Vincent und Bisheh, Nina (Hrsg.): E-Science-Tage 2021: Share Your Research Data, Heidelberg: heiBOOKS, 2022. S. 414–420. Online: <https://doi.org/10.11588/heibooks.979.c13758>.
10 Cremer, Fabian; Engelhardt, Claudia; Neuroth, Heike: Embedded Data Manager. Integriertes Forschungsdatenmanagement: Praxis, Perspektiven und Potentiale, 2015. Online: <http://doi.org/10.1515/bfp-2015-0006>; Verheul, Ingeborg; Imming, Melanie; Ringerma, Jacquelijn u. a.: Data Stewardship on the map. A study of tasks and roles in Dutch research institutes, 2019. Online: <https://doi.org/10.5281/zenodo.2669150>; Curdt, Constanze; Dierkes, Jens; Helbig, Kerstin u. a.: Data Stewardship im Forschungsdatenmanagement. Rollen, Aufgabenprofile, Einsatzgebiete. Überblick: 11. DINI/nestor Workshop, 16. und 17.11.2020, 2021. Online: <http://doi.org/10.17192/bfdm.2021.3.8347>.
11 Embedded Data Manager – Integriertes Forschungsdatenmanagement: Praxis, Perspektiven und Potentiale, 2015; Data Stewardship on the map: A study of tasks and roles in Dutch research institutes, 2019; Data Stewardship im Forschungsdatenmanagement. Rollen, Aufgabenprofile, Einsatzgebiete. Überblick: 11. DINI/nestor Workshop, 16. und 17.11.2020, 2021.
12 Technische Hochschule Köln. Zertifikatskurs Data Librarian, <https://www.th-koeln.de/weiterbildung/zertifikatskurs-data-librarian_63393.php>, Stand: 13.06.2022.
13 Technische Hochschule Köln. Zertifikatskurs Forschungsdatenmanagement, <https://www.th-koeln.de/weiterbildung/zertifikatskurs-forschungsdatenmanagement_82048.php>, Stand:18.2.2022
14 Biernacka, Katarzyna; Buchholz, Petra; Danker, Sarah Ann u. a.: Train-the-Trainer Konzept zum Thema Forschungsdatenmanagement. Version 3.1, Berlin 2020. Online: <https://doi.org/10.5281/zenodo.1215376>.
15 Deutsche Forschungsgemeinschaft e.V.: Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis. Kodex. 2019. Online: <https://www.dfg.de/download/pdf/foerderung/rechtliche_rahmenbedingungen/gute_wissenschaftliche_praxis/kodex_gwp.pdf>, Stand: 13.06.2022.
16 Becker, Erin; Michonneau, François: The Carpentries Curriculum Development Handbook, <https://github.com/carpentries/curriculum-development>, Stand: 13.06.2022.
17 The FAIR Guiding Principles for scientific data management and stewardship. Sci Data 3, 160018 2016.
18 ISO 14721:2012. Space data and information transfer systems. Open archival information system (OAIS). Reference model. 2012. Online: <https://www.iso.org/standard/57284.html>, Stand: 13.06.2022.
19 Deutsche Forschungsgemeinschaft e.V.: Umgang mit Forschungsdaten, <https://www.dfg.de/foerderung/grundlagen_rahmenbedingungen/forschungsdaten/index.html>, Stand: 06.05.2022
20 Sektionskonzept zur Einrichtung einer Sektion im Verein Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) e.V. (2.0). Zenodo, 2022. Online: <https://doi.org/10.5281/zenodo.5599770>.
21 KonsortSWD. Konsortium für die Sozial-, Verhaltens-, Bildungs- und Wirtschaftswissenschaften: Developing and exchanging RDM Skills. Online-Plattform für Lehr- und Informationsmaterialien, <https://www.konsortswd.de/konsortswd/das-konsortium/services/rdm-skills/>, Stand: 13.06.2022.
22 RDMCompas. Research Data Management Competence Base. Forschungsdatenmanagement Kompetenzen für Datenkuratierung, <https://rdm-compas.org/>, Stand: 13.06.2022.
23 FAIR Data Austria. Workshop zum FAIR National Office, <https://forschungsdaten.at/fda/>, Stand: 13.06.2022
24 Kalová, Tereza: 5 Data Stewards per 100 Researchers?! The Development of a Certificate Course “Data Steward” at the University of Vienna, 2021. Online: <https://doi.org/10.5281/zenodo.5544024>; Kalová, Tereza: Teaching Data Stewardship in Austria: Setting up a Certificate Course for Data Stewards at the University of Vienna, 2022. Online: <https://doi.org/10.5281/zenodo.6413512>; Universität Wien. Certificate Course Data Steward, <https://www.postgraduatecenter.at/en/programs/communication-media/data-steward/>, Stand: 13.06.2022.