Aus der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Die Sitzung des Ausschusses für Wissenschaftliche Bibliotheken und Informationssysteme (AWBI) am 24./25. Mai 2022 fand in hybrider Form statt. In Mittelpunkt der Diskussionen standen folgende Themen:

Klausurtagung des AWBI

Die letzte Klausurtagung des AWBI hat im Mai 2017 stattgefunden. Die Ergebnisse dieser Klausurtagung sind in dem Positionspapier „Förderung von Informationsinfrastrukturen für die Wissenschaft“ (März 2018)1 festgehalten worden. Für Herbst 2023 plant der AWBI eine weitere Klausurtagung, in der er sich als übergeordnetem Thema mit den Wechselwirkungen bzw. der Verzahnung der DFG-Förderung mit anderen Akteuren im Bereich der wissenschaftlichen Informationsversorgung befassen wird. Hintergrund ist, dass die Wirksamkeit der DFG-Förderung auch von Voraussetzungen und Rahmenbedingungen abhängig ist, die jenseits der Reichweite der DFG-Förderung liegen. Dabei ist – wie bei allen DFG-Aktivitäten – zu berücksichtigen, wie die Perspektive von Wissenschaft und Forschung in die (Weiter-)Entwicklung von Informationsinfrastrukturen einfließen kann.

Fachinformationsdienste für die Wissenschaft (FID)

Entwicklung einer FID-Gesamtstruktur

Mit der Neuakzentuierung des Förderprogramms „Fachinformationsdienste für die Wissenschaft“ (FID) im Jahr 2020 ist die Etablierung einer FID-Governance-Struktur als weiteres Förderziel hinzugekommen. Das Förderziel „Aufbau und Entwicklung einer FID-Gesamtstruktur“ und der Beitrag der einzelnen FID dazu führt auch zu Anpassungen im Begutachtungs- und Bewertungsprozess der DFG. Entsprechende Aspekte in den Anträgen werden in allen Begutachtungssitzungen verstärkt in den Blick genommen und in der Bewertung vergleichend aufgerufen. Angesichts der Konsolidierungsphase, in der sich das Programm mittlerweile befindet, werden auch zentrale Indikatoren (wie Nutzungszahlen) verstärkt berücksichtigt. Eine Kontextualisierung der Nutzungszahlen wird von jedem Antrag erwartet.

Längerfristige Finanzierung der Fachinformationsdienste

Die bisherige Förderung der Fachinformationsdienste ist projektförmig mit einer jeweiligen Laufzeit von drei Jahren angelegt, wobei der maximale Förderzeitraum zwölf Jahre beträgt. Da infrastrukturelle Maßnahmen der Fachinformationsdienste häufig nicht innerhalb einer zwölfjährigen Laufzeit abgeschlossen werden können, soll eine Perspektive für eine längerfristige Finanzierung entwickelt werden, die ebenfalls in Projektform, aber mit längeren Laufzeiten organisiert sein soll. Dafür müssen einige grundlegende Fragen geklärt werden, wie beispielsweise: Für welche Aufgabenbereiche ist eine längerfristige Finanzierung erforderlich? Welche Kriterien und Indikatoren werden zur Auswahl dieser Aufgabenbereiche herangezogen? Wie und in welchen Zeiträumen soll eine qualitätssichernde Evaluierung erfolgen? Die Klärung dieser Fragen wird von einer vom AWBI eingesetzten Kommission begleitet. Zur inhaltlichen Ausarbeitung der einzelnen Themenfelder sind verschiedene Workshops und Rundgespräche geplant. Neben Mitgliedern des AWBI gehören der Kommission auch externe Expertinnen und Experten an, deren Kompetenzen in der Entwicklung von quantitativen und qualitativen Evaluierungskriterien und der Definition von Kennzahlen sowie bibliothekarischen Dienstleistungsportfolios der FID liegen. Ergänzt wird die Kommission durch Vertreterinnen bzw. Vertreter der AG FID sowie des FID-Lenkungsgremiums, die jeweils als Gäste an den Sitzungen teilnehmen.

Vernetzung der FID mit der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI)

Die Initiative des FID-Lenkungsgremiums, im November 2021 ein Rundgespräch zur Vernetzung von Fachinformationsdiensten mit den Konsortien der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) durchzuführen, hat der AWBI begrüßt. Aus Sicht des AWBI können sowohl die einzelnen Konsortien der NFDI als auch die Gesamtstruktur der NFDI von den Erfahrungen der FID profitieren. Angeregt wurde, den Rückkoppelungen mit den jeweiligen Fachcommunities, die ein zentrales Element der FID-Förderung darstellen, in den Abstimmungsprozessen mit der NFDI verstärkte Aufmerksamkeit zu widmen. Der AWBI versteht die Förderung von Fachinformationsdiensten und die Förderung von NFDI-Konsortien grundsätzlich als komplementär. Vernetzungs- und Abstimmungsprozesse zwischen einzelnen Fachinformationsdiensten und NFDI-Konsortien sind insbesondere dann erforderlich, wenn Fachinformationsdienste auch ausgewählte Angebote aus dem Bereich Forschungsdatenmanagement (z.B. Beratungsangebote, Nachweis von Forschungsdaten in FID-Portalen) in ihr Serviceportfolio integrieren.

Digitalisierung und Erschließung

DFG-Rundgespräch zu Inkunabeln

Auf Bitte des AWBI hat die Bayerische Staatsbibliothek München im Februar 2022 ein DFG-Rundgespräch zum Thema „Forschungsorientierte Inkunabelerschließung und -digitalisierung in deutschen Bibliotheken: Bedarfe und Perspektiven“ durchgeführt. Im Rahmen des Rundgesprächs wurde der aktuelle Sachstand der Erschließung, Digitalisierung und Präsentation von Inkunabelbeständen in Deutschland ausführlich erörtert und zusammengestellt. Damit liegt eine fundierte Basis vor, auf der zukunftsfähige Konzepte für Inkunabelbestände in Deutschland entwickelt werden können. Der AWBI regt an, in einem zweiten Schritt Überlegungen anzustellen, wie das Potenzial der Inkunabelbestände noch besser ausgeschöpft und neue Angebote für die Forschung gemacht werden können. Bedarf wird auch hinsichtlich der Konsolidierung und Aggregation vorhandener Daten gesehen. Dass im Nachgang des Rundgesprächs sowohl Handreichungen zur exemplarspezifischen Erschließung von Inkunabeln als auch Festlegungen erarbeitet werden sollen, welche Exemplare mehrfach digitalisiert werden sollen, wird vom AWB begrüßt.

Digitalisierung und Bereitstellung rechtebewehrter Objekte

Entsprechend dem Beschluss des AWBI aus dem September 2021 lud die DFG interessierte Einrichtungen im Dezember 2021 dazu ein, Interessensbekundungen für eine Beteiligung an einem Koordinierungsprojekt zur Vorbereitung einer Pilotphase zur Digitalisierung rechtebewehrter Materialien einzureichen. Der AWBI zeigte sich erfreut darüber, dass der Aufruf auf eine hohe Resonanz gestoßen ist. Die Personen und Einrichtungen, die ihr Interesse an einer Beteiligung an einem Koordinierungsprojekt formuliert hatten, sind auf Einladung der DFG-Geschäftsstelle Anfang Mai 2022 zu einem Gespräch zusammengekommen, um die Konzeption eines Koordinierungsprojektes gemeinsam zu erörtern. Weitere Absprachen und Rollenverteilungen erfolgen nun im Vorfeld der geplanten Antragstellung für ein Koordinierungsprojekt in Eigenregie der Beteiligten.

DFG-Positionspapier „Wissenschaftliches Publizieren als Grundlage und Gestaltungsfeld der Wissenschaftsbewertung“

Der AWBI hat das Mitte Mai 2022 veröffentlichte DFG-Positionspapier „Wissenschaftliches Publizieren als Grundlage und Gestaltungsfeld der Wissenschaftsbewertung“2 ausdrücklich begrüßt. Mit der dargelegten Auseinandersetzung zu gegenwärtigen Entwicklungen im Publikationswesen und der Darstellung der verschiedenen Herausforderungen und Handlungsfelder stellt es eine hervorragende Zusammenfassung der Entwicklungen der letzten Jahre dar. Es leistet einen Beitrag zur Stärkung wissenschaftsadäquater Rahmenbedingungen im Wissenschaftssystem und zu nationalen wie internationalen Diskussionen um die Fortentwicklung von Publikations- und Bewertungssystemen. Ziel ist es, einen Kulturwandel anzustoßen hin zu einer verbreiterten Bewertungsgrundlage sowie den Fokus auf eine inhaltliche Bewertung von Forschungsleistungen zu legen. Für die Arbeit des AWBI ist die Positionierung der DFG hinsichtlich der Auffindbarkeit von wissenschaftlichen Informationen und der Verankerung von Open Access von hoher Relevanz.

Action Plan for Diamond Open Access

Die DFG hat im März 2022 den von Science Europe, ANR (Agence Nationale de la Recherche), OPERAS (Open Scholarly Communication in the European Research Area for Social Sciences and Humanities) und der cOAlition S initiierten „Action Plan for Diamond Open Access“3 unterzeichnet. Die DFG ist dadurch Teil einer internationalen Community geworden, die sich der Umsetzung des „Action Plan“ widmet. Bisher zählen vorrangig Infrastrukturen zu den Unterstützern, weniger Fachgesellschaften. Daher hat der AWBI auf die wesentliche Bedeutung der Fachgesellschaften für das wissenschaftliche Publizieren hingewiesen. Die DFG kann hierbei aus Sicht des AWBI neben finanzieller Förderung auch koordinierend wirken und entsprechende Akteure zusammenbringen. Für den Herbst 2022 ist ein Rundgespräch zum Thema „Diamond Open Access“ geplant, bei dem vor allem aus der Perspektive von Infrastrukturen Bedarfe für die Förderung eruiert werden sollen. Grundsätzlich wird die Weiterentwicklung von Diamond-Open-Access-Infrastrukturen als langfristig relevantes Thema angesehen.

Ulrike Hintze, Deutsche Forschungsgemeinschaft
Gruppe ‚Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme’ (LIS)

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/5882

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1 DFG: Förderung von Informationsinfrastrukturen für die Wissenschaft. Ein Positionspapier der Deutschen Forschungsgemeinschaft, März 2018, <https://www.dfg.de/download/pdf/foerderung/programme/lis/positionspapier_informationsinfrastrukturen.pdf>, Stand: 04.08.2022.

2 DFG: Wissenschaftliches Publizieren als Grundlage und Gestaltungsfeld der Wissenschaftsbewertung. Herausforderungen und Handlungsfelder. Positionspapier, Mai 2022: <https://www.dfg.de/download/pdf/foerderung/grundlagen_dfg_foerderung/publikationswesen/positionspapier_publikationswesen.pdf>, Stand: 04.08.2022.

3 Ancion, Zoé; Borrell-Damián, Lidia; Mounier, Pierre u.a.: Action Plan for Diamond Open Access. March 2022, <https://doi.org/10.5281/zenodo.6282402>.