Welche Zukunft für die Benutzungsservices?
Strategiefragen zwischen Printbestand und neuen Dienstleistungen
Zusammenfassung
Die Benutzungsabteilungen der wissenschaftlichen Bibliotheken stehen aktuell und in den kommenden Jahren vor großen Herausforderungen. Auf der einen Seite ist der traditionelle Aufgabenbereich, der Zugang zum Printbestand, seit Jahren durch einen geradezu dramatischen Rückgang in der Nutzung geprägt. Gleichzeitig muss jedoch die ressourcenintensive Infrastruktur für Magazinierung, Logistik, Aufstellung und Ausleihe in der Regel weiter vorgehalten und betrieben werden. Auf der anderen Seite erschließen die Benutzungsabteilungen der Bibliotheken schon seit vielen Jahren neue Aufgabenbereiche, um auf die veränderten Anforderungen ihrer Nutzerinnen und Nutzer zu reagieren. Mittelfristige strategische Antworten auf diese Herausforderungen sind deshalb dringend notwendig. Antworten können unter anderem in einer stärkeren Automatisierung der Services und der Geschäftsgänge sowie in der Schaffung eines ‚Ökosystems‘ digitaler Dienstleistungen im Benutzungsbereich liegen.
Summary
User services departments of academic libraries are currently facing major challenges and will continue to do so in the years to come. On the one hand, the traditional area of responsibility, i.e. the access to the print holdings, has been characterised by a downright dramatic decline in use for years. At the same time, however, the resource-intensive infrastructure for storage, logistics, and lending usually must continue to be maintained and operated. On the other hand, the user services departments have been opening up new areas of responsibility for many years now in order to react to the changing requirements of their users. Therefore, medium-term strategic answers to these challenges are urgently needed. Possible answers could be an increased automation of services and business processes as well as the creation of an ‘ecosystem’ of digital services.
Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/5959
1. Einleitung
Verglichen mit strategischen Themen wie Open Access, Forschungsdaten und neuen Bibliothekssystemen stehen Grundsatzfragen zum aktuellen Stand und zur Weiterentwicklung der Benutzungsservices seltener im Zentrum der bibliothekarischen Debatten auf Fachkongressen und in Fachpublikationen. Zuletzt haben Anne Christensen, Kerstin Helmkamp und Daniela Poth die rückläufige Nutzung traditioneller Services, die notwendige Neuausrichtung der Benutzungsabteilungen sowie Automatisierung, Digitalisierung und Standardisierung als strategische Perspektiven diskutiert.1 Der vorliegende Beitrag möchte diese Diskussion aufgreifen und fortführen – denn nach wie vor stehen
die Benutzungsabteilungen der wissenschaftlichen Bibliotheken und ihre Services vor großen Herausforderungen, auf die dringend Antworten gefunden werden müssen.2
2. Der Printbestand: Rückläufige Nutzung, ressourcenintensive Infrastruktur
Die Nutzung des gedruckten Bestands ist in den letzten Jahren in einem geradezu dramatischen Ausmaß zurückgegangen. In den wissenschaftlichen Universal- und Hochschulbibliotheken in Deutschland sind die Ausleihen bis etwa zum Jahr 2012 auf einem relativ hohen Niveau geblieben, dann jedoch stark gesunken. Abbildung 1 zeigt, dass sich das Ausleihvolumen in den letzten 20 Jahren
mehr als halbiert hat:
Das eigentlich Frappierende an diesen Zahlen ist, dass sich die Ausleihzahlen im Jahr 2022, in dem fast alle Corona-bedingten Nutzungseinschränkungen entfallen sind und die Bibliotheken in ihren ‚Normalbetrieb‘ zurückgekehrt sind, nicht etwa erholt haben, sondern gegenüber dem niedrigen Niveau der Corona-Jahre 2020 und 2021 nochmals gesunken sind. Das bedeutet, dass die pandemiebedingten Einschränkungen offenbar eine Entwicklung, die lange vor der Pandemie begonnen hat, noch einmal beschleunigt und verstärkt haben – und dass diese Entwicklung sich ganz offensichtlich nicht mehr umkehren wird. Aller Voraussicht nach wird sich dieser starke Abwärtstrend also auch in den nächsten Jahren fortsetzen.
Die Gründe für diesen Abwärtstrend sind bekannt. Im Bereich der Forschung erscheinen viele neue Publikationen nur noch digital, der Printbestand ‚regeneriert‘ sich infolgedessen nicht mehr und verliert dadurch zunehmend an Relevanz für die Wissenschaft. Im Bereich von Studium und Lehre ist der Literaturbedarf durch die Umstellung auf Bachelor-Studiengänge gesunken; gleichzeitig hat aber auch das traditionell am stärksten genutzte Segment des Printbestands, die Lehrbuchsammlung, Konkurrenz bekommen. Eine Studie kam 2021 zu dem Ergebnis, dass Studierende inzwischen digitale Lehrmaterialien wie PDF-Skripte, Vorlesungsfolien oder E-Learning-Angebote noch häufiger nutzen als Lehrbücher.3
Dies alles spiegelt letztlich einen grundlegenden Transformationsprozess wider, der sich schon seit vielen Jahren vollzieht und in den kommenden Jahren vermutlich weiter vollziehen wird. Im Benutzungsbereich hat diese Entwicklung allerdings ein großes Aber. Denn dieser Transformationsprozess bedeutet ja nicht, dass der Printbestand aus den wissenschaftlichen Bibliotheken verschwindet. Eine Studie des Bayerischen Landtags4 legte 2021 offen, dass in den bayerischen Hochschulbibliotheken die Transformation zu elektronischen Publikationen bei den Zeitschriften so gut wie abgeschlossen ist: der Anteil der E-Zeitschriften liegt (von wenigen Ausnahmen abgesehen) durchgängig bei über 90%. Beim Buchbestand sieht die Situation jedoch gänzlich anders aus: bei den Hochschulen für angewandte Wissenschaften liegt der Digitalanteil hier immerhin zwischen 28% und 84%, bei den Universitätsbibliotheken jedoch nur zwischen 3% und 30%. Auch für diese Diskrepanz liegen die Gründe auf der Hand:
- Zum Teil wird weiterhin Printbestand erworben – sei es, weil bestimmte Publikationen
nur in gedruckter Form erscheinen, sei es, weil die digitalen Angebote der Verlage zu hohe Lizenzkosten oder zu restriktive Nutzungsbedingungen haben. - Es ist so gut wie unmöglich, den vorhandenen Printbestand digital zugänglich zu machen – einer Digitalisierung durch die Bibliothek setzt das Urheberrecht sehr enge Grenzen, und ein entsprechendes Angebot von Verlagen existiert häufig nicht oder ist sehr teuer.
- Die Reduzierung des Bestands durch Aussonderung steht zum Teil vor großen Hürden. Wenn sie nicht mehr oder weniger automatisiert nach formalen Kriterien erfolgen kann,
ist sie in der Regel mit erheblichem Zeitaufwand verbunden.
Aus all diesen Gründen stehen in den wissenschaftlichen Bibliotheken nach wie vor enorme Mengen an analogen Medien – die DBS beziffert den aktuellen Bestand an Büchern und anderen physischen Medieneinheiten in den deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken auf über 355 Millionen Einheiten.5
Das bedeutet, dass für viele Benutzungsabteilungen der Printbestand als Verwaltungsaufgabe mit erheblichem Ressourcenaufwand auch in den kommenden Jahren erhalten bleibt. Die gesamte Infrastruktur, die für die Aufbewahrung und die Zugänglichmachung dieses Bestands notwendig ist, muss weiter vorgehalten werden: Magazine, Freihandbibliotheken, Fahrdienste, Bereitstellungsregale, Ausleihtheken, Ausleihmodule in den Bibliothekssystemen, Mahnroutinen und anderes mehr. Diese Infrastruktur wird im Benutzungsbereich weiterhin viele Sachmittel und Personalressourcen binden.
Und dies bedeutet letztlich, dass beim Printbestand die Schere zwischen der Nutzung des Bestands einerseits und den notwendigen Ressourcen für den laufenden Betrieb andererseits immer weiter auseinander geht. Die eine große Herausforderung für die Benutzungsservices ist damit die ressourcenintensive Verwaltung des Printbestands bei gleichzeitig sinkender Nutzung.
3. Veränderte Anforderungen, neue Services
Gerade weil der Printbestand zunehmend an Stellenwert verloren hat, haben die Benutzungsabteilungen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zahlreiche neue Dienstleistungen entwickelt und eingeführt. Diese Neuausrichtung war notwendig, weil sich die Anforderungen der Nutzerinnen und Nutzer stark verändert haben und das Serviceportfolio auf diese veränderten Anforderungen ausgerichtet werden musste. Mit der sukzessiven Umwandlung der klassischen Lesesäle in Lernräume haben die Benutzungsabteilungen in den letzten beiden Jahrzehnten auf die stark gewandelten und zunehmend ausdifferenzierten Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer reagiert und eine Vielzahl neuer Lernorte geschaffen. Dazu gehört auch die zunehmende Professionalisierung der Lernraumverwaltung unter anderem durch die Verbesserung der technischen Infrastruktur sowie durch die Einführung von Rauminformations-, Reservierungs- und Auslastungssystemen. Auch der Bereich Schulung und Beratung wurde durch eine Vielzahl neuer Formate und Kanäle weiterentwickelt – von Auskunftschats über interaktive Formate für Erstsemester bis hin zu Kooperationen mit anderen universitären Einrichtungen beispielsweise bei der Schreibberatung. Benutzungsabteilungen haben dabei auch die Nutzungsforschung professionalisiert und neue Methoden der Nutzerpartizipation erprobt. Und diese Entwicklung ist längst nicht zum Ende gekommen; auch in den kommenden Jahren werden die Benutzungsabteilungen ihr Serviceportfolio laufend überprüfen und weiterentwickeln müssen.
Damit stehen die Benutzungsabteilungen aktuell und in den kommenden Jahren vor einer doppelten Ressourcenanforderung – durch die Verwaltung des Printbestands einerseits, und durch den Aufbau und Betrieb neuer Dienstleistungen andererseits. Im Folgenden soll es in diesem Kontext um zwei strategische Fragen gehen: um die Automatisierungspotentiale im Benutzungsbereich, und um eine umfassende Digitalisierung der Benutzungsservices.
4. Automatisierung
Der „Job-Futuromat“ des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit widmet sich der Frage, wie digitale Technologien die Tätigkeiten der einzelnen Berufsfelder verändern werden, und welche Tätigkeiten infolgedessen automatisiert werden können. Für den Beruf der Bibliothekarin bzw. des Bibliothekars gibt der „Futuromat“ an, dass 44% der Kerntätigkeiten automatisierbar seien.6 In dieser Pauschalität ist diese Aussage natürlich mit Vorsicht zu genießen, weil es in den wissenschaftlichen Bibliotheken inzwischen ein sehr breites Spektrum an Tätigkeiten gibt. Der Befund ist aber dennoch ein Hinweis, dass es auch im Bibliotheks- und konkret im Benutzungsbetrieb noch weiteres Automatisierungspotential gibt.
Im Benutzungsbereich gilt das natürlich in erster Linie für die Verwaltung des gedruckten Bestands. Mit RFID existiert die notwendige Technologie dafür bereits seit den 1970er Jahren, und öffentliche wie wissenschaftliche Bibliotheken setzen sie bereits seit der Jahrtausendwende ein. Allerdings sind die Potentiale dieser Technologie noch bei Weitem nicht ausgeschöpft. Der Einsatz von RFID hat in wissenschaftlichen Bibliotheken teilweise noch den Status eines ‚technischen Add-ons‘ – dabei sollte angesichts der genannten Herausforderungen die Selbstverbuchung via RFID eigentlich eher Standard als Ausnahme sein. Potentiale gibt es auch noch in den weiteren Einsatzmöglichkeiten von RFID jenseits von Selbstverbuchung und Bestandssicherung, beispielsweise in der Bestandsrevision über spezielle RFID-Lesegeräte, die den Bestand im Regal mit den hinterlegten Bestandslisten abgleichen – oder über Roboter, wie sie an der UB der TU Dortmund entwickelt wurden.7 Große Potentiale gibt es darüber hinaus vor allem im Magazinbereich – die bislang weit verbreitete ‚manuelle‘ Logistik kann nicht nur über Rückgabeautomaten, Sortieranlagen und Buchtransportanlagen automatisiert werden, sondern auch über teil- oder vollautomatisierte Lagerhaltung, wie sie in der Industrie längst Standard ist, von der es in wissenschaftlichen Bibliotheken – vor allen in Europa – aber bislang nur einzelne Beispiele gibt (wie etwa an der Universität Rotterdam, in Cambridge sowie in der Kooperativen Speicherbibliothek Schweiz).8
Die Einführung solcher Automatisierungstechnologien ist in der Regel mit Aufwand und Kosten verbunden – warum ist sie dennoch sinnvoll? Wie oben erwähnt, geht bereits seit mehreren Jahren die Schere zwischen der Nutzung des Printbestands einerseits und den notwendigen Ressourcen an Personal und Finanzen für den laufenden Betrieb immer weiter auseinander. Diese Situation wird aktuell noch dadurch verschärft, dass die Personalsituation in den wissenschaftlichen Bibliotheken in den letzten Jahren immer schwieriger geworden ist. Es fehlt erheblich an Bewerberinnen und Bewerbern für freiwerdende Stellen; auch die Benutzungsabteilungen haben zunehmend große Probleme, qualifiziertes Personal zu gewinnen. Aus diesem Grund ist es im Benutzungsbereich dringend geboten, das vorhandene Personal zu entlasten – konkret: von Routinetätigkeiten zu entlasten, damit die Kolleginnen und Kollegen dort eingesetzt werden können, wo sie dringend gebraucht werden: in der qualifizierten Beratung von Nutzerinnen und Nutzern beispielsweise, in der Lösung von Alltagsproblemen, in der Entwicklung und Bereitstellung neuer Services.
Aber auch jenseits der Bestandsverwaltung und der Ausleihe gibt es im Benutzungsbereich Automatisierungspotentiale – beispielsweise beim Zugang zu den Lernräumen der Bibliothek. Nutzerinnen und Nutzer können sich am Eingang zum Lernraum mit ihrem RFID-Bibliotheksausweis oder ihrer RFID-Campuscard an einem Lesegerät authentifizieren und so Zugang zum Lernraum erhalten; Lernräume ohne Theken und Personal, aber mit reguliertem Zugang sind also möglich.
Auch in der Auskunft ist Automatisierung zumindest teilweise möglich. Zwar sind Auskunft, Beratung und Schulung diejenigen Bereiche, in denen der persönliche Kontakt der Mitarbeitenden zu den Nutzerinnen und Nutzern einen zentralen Mehrwert darstellt. Allerdings haben sich mit der neuen Generation künstlicher Intelligenz, also mit generativer KI wie beispielsweise ChatGPT, nun neue Möglichkeiten eröffnet, die über die früher eingesetzten Chatbots (wie etwa den Bot „Stella“ der SUB Hamburg) hinausgehen. Nun muss offenbar nicht mehr der aufwändige Weg des „pattern matching“ beschritten werden, über den Fragen und Antworten einander zugeordnet werden. Stattdessen kann die KI mit einem Datenkorpus trainiert werden und generiert dann natürlichsprachige Antworten auf natürlichsprachige Fragen. Damit müsste es möglich sein, eine solche generative KI mit den Informationen über die Services, Standorte, Nutzungsbedingungen etc. einer Bibliothek zu trainieren. Die zentrale Frage wird sein, ob über ein enger gefasstes, ‚kontrolliertes‘ Korpus das Problem des „Halluzinierens“ der KI vermieden werden kann. Im besten Fall würden wir einen Chatbot erhalten, der die persönlichen Auskunftsservices der Bibliothek ergänzen und entlasten kann – beispielsweise außerhalb der Kernzeiten, bei häufig wiederkehrenden Fragen oder bei großem Andrang zu Semesterbeginn. Auch hier ginge es also darum, das Stammpersonal durch Teil-Automatisierung zu entlasten.
5. Digitalisierung
Die Benutzungsbereiche sind diejenigen Bereiche der Bibliothek, die am stärksten analog geprägt sind. Überspitzt formuliert ‚zwingt‘ die Bibliothek ihre Kundschaft, für die Nutzung des Printbestands in die Bibliothek zu kommen: um die bestellten Medien abzuholen, oder um mit dem Bestand in den Lesesälen und Lernräumen der Bibliothek zu arbeiten. Für einen Teil der Nutzerschaft ist das völlig unproblematisch und zum Teil auch ein erwünschtes Setting: wir haben in den letzten Jahren gesehen, wie wichtig vielen Nutzerinnen und Nutzern die Möglichkeit eines konzentrierten Arbeitens in den Lernräumen der Bibliothek ist, welche Bedeutung Bibliotheken als Lernorte bekommen haben. Gleichzeitig haben sich allerdings in den letzten Jahren die Arbeitsgewohnheiten auch in Forschung, Lehre und Studium deutlich gewandelt. Auch das wissenschaftliche Arbeiten ist immer weniger an einen bestimmten Ort gebunden, es findet immer häufiger remote und online statt. Die Corona-Pandemie hat diesen Trend noch einmal erheblich verstärkt. Daraus entsteht bei vielen Nutzerinnen und Nutzern die Erwartungshaltung, dass auch die traditionellen Bibliotheksservices digital nutzbar sein müssen. In diesem Fall kann es schon einmal als Zumutung empfunden werden, für den Zugang zu einem Buch in eine Bibliothek gehen zu müssen – wie der folgende Tweet einer Doktorandin zeigt: „Es ist mir absolut unverständlich, wie man nach dem Jahr 2010 wissenschaftliche Arbeiten so publizieren kann, dass sie nicht online zugänglich sind. Ich muss jetzt ernsthaft in eine Bibliothek gehen und mir ein Buch ausleihen.“9
Wie können wir im Benutzungsbereich auf diese Entwicklung reagieren? Natürlich verhindern das Urheberrecht, die Lizenzkosten digitaler Verlagsprodukte sowie die Kosten für das Scannen, dass wissenschaftliche Bibliotheken ihren gesamten Printbestand digital anbieten. Es stehen jedoch zwei urheberrechtskonforme Möglichkeiten zur Verfügung, um den digitalen Zugang zum analogen Bestand zu ermöglichen. Zum einen mit den auf § 53 UrhG basierenden „Campuslieferdiensten“: Hochschulbibliotheken dürfen hier aus ihrem gedruckten Bestand Aufsätze und bis zu 75% von Monographien einscannen und den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ihrer Hochschule per Mail zuschicken. Und auch die digitale Versorgung der Studierenden ist möglich, indem die Bibliothek einen Scanservice für die Lernplattformen der Hochschule zur Verfügung stellt. Hier sind immerhin vollständige Zeitschriftenaufsätze und bis zu 15% von Monographien möglich. Damit ist natürlich keine vollständige digitale Versorgung möglich, aber viele Bedarfe der Studierenden und Wissenschaftler*innen können auf diesem Weg abgedeckt werden – angesichts der 75%-Regelung insbesondere durch den Campuslieferdienst. Der Printbestand kann dadurch zumindest zum Teil digital zugänglich gemacht werden.
Ist man diesen Schritt gegangen, dann macht es Sinn, auch die Services rund um die Nutzung des Printbestands zu digitalisieren. Konkret heißt das:
- eine Online-Zulassung einzuführen – sei es, indem die Nutzer*innen die notwendigen Unterlagen auf einen sicheren und datenschutzkonformen Server hochladen und den
Ausweis dann zugeschickt bekommen, sei es, indem sie sich über den elektronischen
Personalausweis identifizieren; - einen digitalen Bibliotheksausweis einzuführen, der in der Wallet des Smartphones
abgelegt werden kann; - alle Mitteilungen an die Nutzerinnen und Nutzer (soweit rechtlich möglich) nur noch
digital zu verschicken; - E-Payment einzuführen, damit die Bezahlung von Gebühren nicht vor Ort an der Theke oder einem Kassenautomaten erfolgen muss;
- Auskunft und Beratung online via Chat, als Videochat und/oder über einen Chatbot anzubieten.
Damit können wir traditionelle analoge Services zumindest teilweise digital und damit ortsunabhängig zugänglich machen. Ein mögliches Nutzungsszenario könnte dann so aussehen, dass eine Doktorandin online zugelassen wird, sich die Aufsätze und Buchauszüge aus dem gedruckten Bestand, die sie für ihre Arbeit benötigt, über den Campuslieferdienst bestellt und offene Fragen über den Chat der Bibliothek klärt. Damit ist ihr die Nutzung des Printbestands möglich, ohne jemals die Bibliothek zu betreten.
Auf diesem Weg können wir auch im Benutzungsbereich ein zumindest teilweise digitales ‚Ökosystem‘ aus miteinander verbundenen Dienstleistungen schaffen. Dieses ‚Ökosystem‘ kann dann auch an die anderen digitalen Nutzungsszenarien der Bibliothek (Zugriff auf die E-Medien, Arbeit mit Forschungsdaten u.a.m.) andocken.
Literaturverzeichnis
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1 Helmkamp, Kerstin: Automatisierung im Zuge des digitalen Wandels von Benutzungsservices. Das neue Lern- und Studiengebäude (LSG) und die Verbesserungen der Studien- und Lernbedingungen am Campus-Nord der Universität
Göttingen, in: o-bib 2 (4), 2015, S. 192–210. Online: <https://doi.org/10.5282/o-bib/2015H4S192-210>. Glitsch, Silke; Helmkamp, Kerstin: Arbeit 4.0 in der Benutzungsabteilung einer großen Universitätsbibliothek, in: o-bib 3 (2),
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Das Beispiel der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen und ihrer Benutzungsabteilung, in: o-bib 3 (4), 2016, S. 32–46. Online: <https://doi.org/10.5282/o-bib/2016H4S32-46>. Christensen, Anne: Benutzungsdienste zwischen Automation, Bau und Technik, in: ABI Technik 37 (3–4), 2017, S. 249–255. Online: <https://doi.org/10.1515/abitech-2017-0056>. Poth, Daniela; Fricke, Fee-Saskia: Gemeinsam die Zukunft gestalten. Partizipation im Strategieprozess der Benutzungsabteilung an der SUB Göttingen, in: o-bib 6 (4), 2019, S. 25–38. Online: <https://doi.org/10.5282/o-bib/2019H4S25-38>.
2 Dieser Beitrag beruht auf dem Vortrag mit gleichem Titel am 23.05.2023 anlässlich der 111. BiblioCon in Hannover.
3 Vgl. Huß, Björn; Dölle, Frank: Bedeutung, Nutzung und Zugang zu Lehrbüchern an Hochschulen. Zentrale Ergebnisse der Befragungsstudie für das Bundesministerium für Bildung und Forschung, Hannover 2021. Online: <https://doi.org/10.2314/KXP:1788361857>.
4 Vgl. Stand der Digitalisierung der Bibliotheken in Bayern. Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Wolfgang Heubisch FDP vom 03.02.2021, Bayerischer Landtag Drucksache 18/15803, 25.06.2021. Online: <https://www1.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP18/Drucksachen/Schriftliche%20Anfragen/18_0015803.pdf>, Stand: 04.07.2023.
5 Wissenschaftliche Universal- und Hochschulbibliotheken in Deutschland, Bestand an Büchern, Sonstigen Druck-werken, Sonstigen Nicht-elektronischen Materialien, Stand 2022. Auswertung aus der Deutschen Bibliotheksstatistik.
6 <https://job-futuromat.iab.de>, Stand: 04.07.2023.
7 Vgl. Koller, Adriane: Vorreiterin in Europa. In der Universitätsbibliothek der TU Dortmund suchen vier Serviceroboter verschollene Bücher, in: BuB - Forum Bibliothek und Information 74 (6), 2022, S. 292. Online: <https://www.b-u-b.de/fileadmin/archiv/imports/pdf_files/2022/bub_2022_06_292.pdf>. Die an der UB der TU Dortmund entwickelte Lösung setzt allerdings UHF RFID voraus, welches das Auslesen über größere Distanzen möglich macht, während in Bibliotheken in der Regel HF RFID im Einsatz ist.
8 Vgl. Boersma, Foekje; Martens, Marco; Ankersmit, Bart u.a.: A Robotic Storage Facility for the Dutch National Library Collections, in: Studies in Conservation 67 (sup1), 2022, S. 32–39. Online: <https://doi.org/10.1080/00393630.2022.
2045420>.
9 https://twitter.com/schoenbergerlea/status/1555956568021155846, Stand: 04.07.2023.