Ruckzuck für alle

Barrierefreie PDF-Dokumente automatisiert erstellt am Beispiel
der MAK Collection, ZB MED

Einleitung

Umsetzungsstellen können jahrzehntelange Erfahrung beisteuern hinsichtlich der Aufbereitung von Prüfungs- bzw. Unterrichtsmaterialien für Menschen mit Beeinträchtigung.1 Die technischen Möglichkeiten für die Erzeugung von barrierefreien PDF-Dokumenten sind ebenfalls seit langem gegeben. Die Handhabung herkömmlicher Programme erweist sich diesbezüglich allerdings nach wie vor als erstaunlich wenig komfortabel.

Öffentliche Stellen sind durch die EU-Richtlinie 2016/2102 unterdessen bereits dazu verpflichtet, ihre Webauftritte und mobilen Anwendungen sowie Dokumente (d.h. insbesondere auch PDF-Dokumente) und digitalen Verwaltungsabläufe barrierefrei zu gestalten. Doch der erste Bericht der Bundesrepublik Deutschland an die Europäische Kommission zur Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen von Webauftritten und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen für den Zeitraum vom 01.01.2020 bis 22.12.2021 fiel ernüchternd aus: Keiner der begutachteten Auftritte hat die Überprüfung vollständig bestanden.2

Tatsächlich ist das Erreichen eines hohen Maßes an Barrierefreiheit nicht so weit entfernt, wie es scheinen mag. Am Beispiel der Begründungen und Methoden der MAK Collection3, die ZB MED4 quartalsweise als Open-Access-Publikationen auf der Publikationsplattform PUBLISSO veröffentlicht, erläutert dieser Beitrag nach einer Einführung zu den gesetzlichen Grundlagen, was die Erfüllung der EU-Richtlinie für die Erzeugung von PDF-Dokumenten konkret bedeutet und wie sich Problemstellen mithilfe des Prüftools PAC aufspüren lassen.5 Unter Verwendung der Open-Source-Anwendung Apache Formatting Objects Processor (FOP) ist es schlussendlich gelungen, Journal-Ausgaben auf Knopfdruck im barrierefreien PDF-Format zu generieren.

Einführung zu den gesetzlichen Grundlagen

Die EU-Richtlinie 2016/2102 verpflichtet alle öffentlichen Stellen in Europa, ihre Webauftritte und mobilen Anwendungen sowie Dokumente und digitalen Verwaltungsabläufe barrierefrei zu gestalten.6 Die Mitgliedstaaten müssen die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen mittels strukturierter Verfahren in periodischen Abständen überwachen und darüber berichten.7 Der European Accessibility Act (EAA)8 wird ab 2025 auch nicht-öffentliche Stellen dazu verpflichten.9

Für die Umsetzung der EU-Richtlinie 2016/2102 ist die EN-Norm 301 549 maßgeblich.10 Sie enthält Kriterien der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.111 gemäß der vier grundlegenden Prinzipien: wahrnehmbar, bedienbar, verständlich sowie robust und bestimmt die funktionalen Anforderungen an die Barrierefreiheit sowie die zugehörigen Testverfahren und Bewertungsmethoden. Berücksichtigt wird u.a. die Nutzung ohne bzw. mit eingeschränktem Sehvermögen, die Nutzung ohne Farbwahrnehmung, die Nutzung mit eingeschränkter Handhabung oder mit eingeschränkter Kraft bzw. mit eingeschränkter Reichweite, die Nutzung ohne bzw. mit eingeschränktem Hörvermögen sowie die Nutzung ohne Sprachvermögen.12

ZB MED hat sich das Ziel gesetzt, diese Anforderungen möglichst umfassend umzusetzen. Dabei ist für die technische Barrierefreiheit in PDF-Dokumenten neben dem PDF ISO Standard 32000-1 (derzeit) der PDF Universal Accessibility Standard (PDF/UA-1) entscheidend.13 Als Prüfungsmaßstab für den PDF/UA-Standard bietet das Matterhorn-Protokoll eine detaillierte Liste von entsprechend ebenfalls vorrangig technikbasierten Kriterien.14 Alles, was sich automatisiert prüfen lässt, wird vom Prüftool PDF Accessibility Checker (PAC) erfasst.15

Ausgangssituation

Testet man ein herkömmlich erzeugtes PDF-Dokument mit dem Prüftool PAC, so werden zahlreiche Fehlermeldungen angezeigt. Einem mit Apache-FOP generierten PDF-Dokument erging es zunächst ebenso:

Nun galt es, alle Fehlermeldungen konsequent abzuarbeiten.

Bereinigung der Ausgangssituation

Die Einbettung der Schriften und die Deklaration der Metadaten, insbesondere von „title“ und
„language“, lässt sich ohne größeren Aufwand umsetzen. Lesezeichen können mit Apache-FOP bequem und automatisierbar erzeugt werden. Sowie das Feature Accessibility eingeschaltet ist, werden alle bereitgestellten Bestandteile des Programmcodes bei der FOP-Transformation in das PDF-Dokument übertragen und die konkreten Fehlermeldungen unterstützen die weitere Optimierung.
17

Dabei geht es v.a. um die Bereinigung der Struktur mit dem Ziel, ein sogenanntes „Tagged PDF“ zu erzeugen. Ein Tagged PDF übermittelt an assistive Technologien Metadaten mit Informationen zur Art des Inhalts, die insbesondere von Screenreader Programmen ausgewertet werden.

Um die Unverzichtbarkeit derartiger Informationen zu veranschaulichen, ist ein Praxistest mit einem Screenreader wie z.B. NVDA hilfreich.18 Sehenden sei empfohlen, dazu die Augen zu schließen. Erste Erkenntnis: Ein Screenreader kann nur ein Element nach dem anderen erschließen. Elemente sind nunmehr strikt linear und nicht (länger) parallel angeordnet. Zweite Erkenntnis: Es ist extrem zeit­intensiv, ein Dokument mit einem Screenreader vollständig abzuhören. Nächste Erkenntnis: Formatierungen sind nicht erkennbar. Es sind die Tags, die nun Orientierungshilfen geben und z.B. darauf hinweisen, dass es sich bei dem vorgelesenen Inhalt um eine Überschrift einer bestimmten Ebene, um ein Listenelement oder um Inhalte einer Tabelle, um eine Verlinkung oder um eine Grafik handelt etc.

Wertvolle Unterstützung bei der Bereinigung der Struktur bietet das Prüftool PAC. Über den Menüpunkt „Detail-Bericht“ lässt sich das Fenster „Bericht“ mit einer Liste konkreter Hinweise öffnen. Der Aufbau orientiert sich am Matterhorn-Protokoll: So greift der Unterpunkt „Logische Struktur“ zum einen einzelne „Strukturelemente“ heraus. Unter „Strukturbaum“ werden alle standardisierten Strukturelemente separat aufgelistet.

Wurde bei der Prüfung ein Fehler festgestellt, so lässt sich zum zugehörigen Strukturelement eine Auflistung aller Fundstellen mit konkreter Fehlermeldung aufklappen. Die einzelnen Einträge sind nacheinander anwählbar, wobei zu jedem ausgewählten Eintrag im zuvor leeren rechten Bereich des „Bericht“-Fensters weitere konkrete Hinweise zur Fundstelle erscheinen (vgl. dazu auch Abbildung 4).

Über den Menüpunkt „Logische Struktur“ – einem weiteren Feature von PAC – lässt sich der Aufbau des geladenen PDF-Dokuments einsehen und analysieren. Dabei lassen sich insbesondere in den im Menüpunkt „Detail-Bericht“ ausgewiesenen Bereichen Fehler z.B. in der Abfolge von Überschriften bzw. der Abfolge einzelner Strukturelemente aufspüren.19

Der entscheidende Vorteil bei der automatisierten Generierung von PDF-Dokumenten mit Apache-FOP: Für alle benannten Einstellungen ist kein externes Tool notwendig und alles, was einmal bearbeitet wurde, ist nachnutzbar. D.h. ist die Transformation schlussendlich optimiert, so ist der zusätzliche Aufwand für gleichartige PDF-Dokumente hinsichtlich der Herstellung der Barrierefreiheit auf ein Minimum beschränkt. Daher lohnt es sich, größtmögliche Genauigkeit walten zu lassen und jedes Detail sorgfältig abzuarbeiten.

In der für die Publikationen der MAK Collection gewählten Schriftart Libertine20 bereitet der geschützte Trennstrich Probleme hinsichtlich der Unicode-Zuordnung. Hierfür hat sich als kreative Lösung die Verwendung eines normalen Bindestrichs gefolgt von einem geschützten Leerzeichen ohne eigene Breite (-) finden lassen. Der damit erzielte Effekt ist derselbe. Dieser Fehler wird im Prüftool PAC im Fenster „Bericht“ im Unterpunkt „Basisanforderungen“ aufgeführt:

Screenshot: Auflistung der Fundstellen für fehlerhafte Unicode-Zuordnung mit ausgewähltem Einzelfall für den geschützten Trennstrich.

Das geschützte Leerzeichen ohne eigene Breite (-) lässt sich darüber hinaus als Bindehemmer bei Ligaturen einsetzen. Ligaturen wurden eigens dafür entwickelt, um die Lesbarkeit im Schriftsatz zu erhöhen. Doch ihre Zeichencodierung ist ggf. nicht eindeutig und kann dann von einem Screenreader entsprechend nicht ausgelesen werden. In diesem Fall werden Bestandteile eines Wortes beim Vorlesen übersprungen und das Wort wird unverständlich. Der Fehlerbericht des Prüftools PAC führt diese Problematik (derzeit) nicht an. Visuell erfassbar werden die Fundstellen beim Herauskopieren von Text aus dem in Adobe Acrobat geöffneten PDF-Dokument in einen Windows-Editor oder auch direkt in einer geeigneten Screenreader-Vorschau (z.B. callas21). Hier sind Zeichen mit uneindeutiger Codierung als „Kästchen“ dargestellt.

Empfehlungen zu weiteren Teststrategien

Es ist empfehlenswert, mehrere Tools zur Begutachtung hinzuzuziehen, um sich die unterschiedlichen Stärken der Tools zunutze zu machen. Eine webbasierte Version von PAC, die entsprechend nicht nur unter Windows nutzbar ist, bietet axes4.22

Ein PDF-Dokument sollte außerdem mit einem Vergrößerungsfaktor von z.B. 300% begutachtet werden. Denn die Nutzbarkeit mit starker Vergrößerung ist für Menschen mit Sehbeeinträchtigung entscheidend. Bei der automatisierten Generierung von PDF-Dokumenten mit Apache-FOP ließ sich bei internen Verlinkungen der Effekt beobachten, dass der Auslösebereich bei immer größerem Vergrößerungsfaktor auf die obere linke Ecke zusammenschrumpft: So schrumpft der anklickbare Bereich bei einer Zitation im Text wie „Heger et al. 1982“, bei der an sich der komplette Bereich der Jahreszahl „1982“ verlinkt sein sollte, auf den oberen Bereich der „1“, was vom Prüftool PAC nicht registriert wird. Um solche sowie weitere Fehlerquellen finden und beheben zu können, ist ausgiebiges Testen unerlässlich.

Kennzeichnung als Artifact

Design- bzw. „Schmuckelemente“ ohne relevante Inhalte wie insbesondere Kopf- und Fußzeilen sollten als sogenanntes „Artifact“ gekennzeichnet werden. Was darunter zu verstehen ist, zeigt wiederum der Praxistest: Nutzt man z.B. die Vorlesefunktion in Edge, so lässt sich erfahren, wie störend es ist, wenn Kopf- und Fußzeilen mitgelesen werden, insbesondere wenn ein Satz am Ende einer Seite nicht beendet ist, sondern auf der Folgeseite fortgesetzt wird, sodass sich Kopf- und Fußzeile an dieser Stelle beim Vorlesen dazwischenschieben würden. Als Artifact gekennzeichnete Bereiche sollen vom Screenreader nicht mit ausgelesen werden – was bei Verwendung von Adobe Acrobat korrekt ausgewertet wird.

Bereitstellung von Alternativtexten

An dieser Stelle sei auf einige grundlegende Kriterien für das Verfassen von Alternativtexten hingewiesen.23 Alternativtexte sollten insbesondere möglichst kurz sein und maximal 80 bis 100 Zeichen verwenden, so die Faustregel. Redundanz sollte vermieden werden. So wäre es z.B. redundant, eine Bildunterschrift zu wiederholen oder den Alternativtext einer Verlinkung mit „Link…“ zu beginnen. Denn ein Screenreader benennt beim Vorlesen, dass es sich um einen Link handelt. Alternativtexte sollten außerdem möglichst einheitlich, prägnant, neutral und vollständig formuliert werden. Der Gebrauch einer einheitlichen Systematik bietet eine zusätzliche Orientierungshilfe, der Gebrauch von (zutreffenden) Fachbegriffen ist willkommen. Wie herausfordernd bzw. ungewohnt es ggf. ist, neutral zu formulieren, veranschaulicht eine Aussage wie „Der Himmel ist wolkenlos, die Sonne scheint.“ im Unterschied zu „Der Himmel ist blau.“ (formuliert von einer Person mit Sehvermögen) oder „Das Wetter ist schön.“ (formuliert von einer Person, die baden gehen möchte) oder „Das Wetter ist schlecht.“ (formuliert angesichts einer Dürreperiode im Hinblick auf die ausbleibende Bewässerung von Pflanzen). Darüber hinaus ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass im Alternativtext keine Formatierungen möglich sind, wie zum Beispiel ein hochgestelltes „N“. Auch bei einer mittels spezifischem Zeichencode hochgestellten Zwei ist damit zu rechnen, dass das Vorlesen von „m²“ durch einen Screenreader nicht automatisch in Form von „Quadratmeter“ erfolgt.

Vortragsfolie: Gegenüberstellung der im Text benannten Regeln.
Abbildung 5: Regeln zum Verfassen von Alternativtexten

Ein Alternativtext soll andererseits keine Informationen bereitstellen, die im PDF-Dokument selbst nicht sichtbar sind. Oberstes Ziel ist es, zuverlässig und verlässlich Orientierungshilfen zu bieten und Irritationen möglichst zu minimieren. Diesbezüglich kommt der Äußerung im VISCH-Leitfaden allgemeine Gültigkeit zu: „Bei der Auswahl für Bilder und Abbildungen [...] geht es also nicht um die Frage, ob diese übertragen werden sollen, sondern vielmehr darum, wie dies geschehen soll. Die Frage, welche Abbildungen „relevant“ oder „wichtig“ sind, sollte keinesfalls von den Übertragern des Buches [...] entschieden werden.“24 Und bereits zuvor: „Grundsätzlich sollten alle […] Informationen […] in geeigneter Form zugänglich gemacht werden.“25

Die für die Publikationen der MAK Collection verwendeten Alternativtexte wurden in engem Austausch mit Betroffenen erarbeitet, wobei die redaktionelle Kontrolle bei den Autor*innen der jeweiligen Journal-Ausgaben verbleibt.

Alternativtexte bei Navigation und einfachen Bilddateien

Für Alternativtexte bei Navigation sowie bei Bilddateien sollte eine einheitliche Systematik genutzt werden. Bei interner Verlinkung sind kurz und prägnant die Formulierungen „Intern zu“ im Deutschen und „Internal to“ im Englischen empfehlenswert. Angewendet auf eine Verlinkung zu einer Abbildung ergibt sich: „Intern zu Abbildung 1“ bzw. „Internal to Figure 1“.26 Bei einer mailto-Verlinkung empfiehlt sich schlicht der zugehörige Programmcode, also z.B. „mailto:ziemer@zbmed.de“ und bei einer externen Verlinkung die URL, und zwar genauso, wie sie im Text erscheint. Bei einem externen Link, bei dem die URL nicht im Text erscheint, wie z.B. bei der Lizenzangabe „Creative Commons Attribution 4.0 International License“, die mit https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.en verlinkt ist, wird in der MAK Collection im Alternativtext zunächst der Text verwendet, wie er erscheint, und die verwendete URL im Anschluss an einen Gedankenstrich ergänzt. Darüber hinaus wurde entschieden, systematisch eine zugehörige Abkürzung zu benennen. Damit ergibt sich: „Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY) License – https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.en“. Bei Mouseover wird im PDF-Dokument an dieser Stelle die verwendete URL eingeblendet, so wie es allgemein üblich ist. In der „Screenreader-Vorschau“ von PAC wiederum ist der verlinkte Text lediglich als „Link“ gekennzeichnet, ohne dass der Alternativtext (derzeit) ersichtlich wäre. D.h. an solchen Stellen hilft am Ende allein die Kontrolle mit einem Screenreader.27

Bei Bilddateien lässt sich mit einem treffenden Schlagwort, wie z.B. „Logo“, „Foto“, „Illustration“, „Porträt“, „Screenshot“ etc., das Wesen der jeweiligen Abbildung bereits möglichst zutreffend erfassen und kategorisieren, bevor sich die weitere Beschreibung anschließt. Bei einem Logo mit Link könnte zur Kennzeichnung zweckmäßigerweise „Logo mit Link:“ bzw. „Logo with link:“ vorangestellt werden. Damit wird das zu erwartende Verhalten bei Klick auf die Abbildung – nämlich das Ausführen der Verlinkung – klar benannt und ist vorhersehbar.

Alternativtexte bei komplexen Bilddateien und chemischen Strukturformeln

In den Journal-Ausgaben der MAK Collection werden komplexe Bilddateien zu statistischen Kennwerten verwendet, die zunächst kategorisiert wurden. Sodann wurde für jeden Typ – in engem Austausch mit den Autor*innen sowie mit Betroffenen – eine eigene systematische Schablone erarbeitet. Die Verwendung dieser Schablonen bietet Personen, die assistive Technologien nutzen, einerseits eine optimale Orientierungshilfe und erleichtert es darüber hinaus den Autor*innen, die benötigten individuellen Alternativtexte bereitzustellen.

Ein Alternativtext wie „Graphische Darstellung der Untersuchungsergebnisse“ ist bereits aussagekräftig, wobei alle weiteren Informationen der Bildunterschrift zu entnehmen sind. Ist die Abbildung nummeriert, so kann dies zur optimalen Orientierung vorangestellt werden. Verfügt die Abbildung außerdem über eine Bildlegende, so könnte es sinnvoll sein, eine eventuell vorhandene Lücke zu schließen, die sich für Menschen ergibt, die die Abbildung visuell nicht oder nur schwer erfassen können, wie z.B. folgendermaßen: „Abbildung 1: Graphische Darstellung der Untersuchungsergebnisse mit nummerierten und unnummerierten Einträgen.“28

Ein zweites Beispiel zeigt die konkrete Verwendung von Fachbegriffen (Streudiagramm, Wertepaare, Regressionsgerade, Bestimmtheitsmaß), für die auch Personen aus internationalem Kontext oder anderen Fachbereichen dankbar sein werden: „Abbildung 2: Streudiagramm der Wertepaare für Naphthalin und der Summe aus 1- und 2-Naphthol im Urin mit Regressionsgerade und Bestimmtheitsmaß R hoch 2 0,720.“29 Dabei muss „groß R“ nicht explizit ausgeschrieben werden. Denn ein Screenreader kann so eingestellt werden, dass ein Großbuchstabe z.B. mittels Tonsignal kenntlich wird. In anderem Kontext wird das Bestimmtheitsmaß auch mit B bezeichnet.

Die Berechnungsformel für einen statistischen Kennwert anzugeben, die so nicht in der Abbildung erscheint, wäre nicht angezeigt. Damit würde zusätzliche Information bereitgestellt werden. Im Zusammenhang mit komplexen Bilddateien ist es statthaft, die in der Faustregel für die Länge eines Alternativtextes benannte Zeichenanzahl zu überschreiten. Es gilt sicherzustellen, dass sich Personen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen optimal über den abgebildeten Sachverhalt austauschen können.

Im Alternativtext „Strukturformel von 2-Piperidin-1-ylethanol:\chemfig{*6(--N([:-30]-([:30]-([:-30]-OH)))----)}“ bietet das Schlagwort „Strukturformel“ sofort eine Einordnung und der chemfig-Code verweist auf zukünftige Anreicherungsmöglichkeiten. chemfig- oder auch LaTeX-Code bei mathematischen Formeln lässt sich ggf. direkt in andere Tools übertragen und bietet damit zusätzlichen Mehrwert für alle.30

Dass der Alternativtext für eine chemische Strukturformel in einem Lehrbuch oder auch in einer Klausuraufgabe anders aufgebaut werden würde, zeigt ein Beispiel in dem vom Projekt iBoB herausgegebenen Praxisleitfaden zur Erstellung textbasierter Alternativen für Grafiken „Gut fürs Image!“.31

Begutachtung durch Expert*innen

Unverzichtbar ist es, im Zuge der Optimierung kontinuierlich Feedback durch Expert*innen und Betroffene einzuholen, insbesondere bei der Bereitstellung von Alternativtexten für Bilder und Verlinkungen, wie oben bereits wiederholt angeklungen war.

Fazit und Ausblick

Dank all dieser Bemühungen ist ZB MED nunmehr in die Lage versetzt, automatisiert Journal-Ausgaben für die MAK Collection von hoher Einheitlichkeit und Qualität zu erzeugen, die die Anforderungen des Prüftools PAC 2021 vollständig erfüllen:

Screenshot: Die automatisiert erzeugte Publikation mb208279e8_1or.pdf besteht die Prüfung.

Den zusätzlichen Kriterien der WCAG, dem in PAC 2021 neu aufgenommenen zweiten Reiter, werden die automatisiert erzeugten PDF-Dokumente ebenfalls gerecht:

Screenshot: Die automatisiert erzeugte Publikation mb208279e8_1or.pdf besteht die Prüfung.

Damit stellt dieser Praxisbericht unter Beweis, dass die Herausforderungen der Barrierefreiheit in PDF-Dokumenten automatisiert umsetzbar sind. Für ein bestmögliches Nutzungserlebnis werden darüber hinaus Aspekte der Usability berücksichtigt. Diese Erfahrungen werden nach und nach auch in die weiteren Publikationsformate von PUBLISSO (Living Handbooks, Living Enzyklopädien und Journals sowie Meetings) einfließen.

Anja Ziemer, Deutsche Zentralbibliothek für Medizin (ZB MED) – Infor­mations­zentrum Lebens­wissen­schaften, Köln, ORCID: https://orcid.org/0009-0006-5660-1018

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/5978

Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0 International.

1 Vgl. dazu Vorschriften über Hilfen für behinderte Menschen zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile oder Mehraufwendungen nach §209 (bis 2018 §126) Sozialgesetzbuch IX.

2 Bericht der Bundesrepublik Deutschland an die Europäische Kommission über die periodische Überwachung der Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen von Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen gemäß Artikel 8 der Richtlinie (EU) 2016/2102 (1. Berichtszeitraum 01.01.2020 - 22.12.2021). Online: <https://www.bfit-bund.de/DE/Downloads/eu-bericht-pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=2>, Stand: 05.07.2023.

3 In der MAK Collection stehen die Empfehlungen der Ständigen Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) – die so genannte MAK-Kommission – in inzwischen mehr als 4000 Publikationen zu über 1000 gesundheitsschädlichen Arbeitsstoffen frei zur Verfügung. Neben der Zeitschrift „The MAK Collection for Occupational Health and Safety“ mit Stoffbegründungen und Methodenbeschreibungen umfasst die MAK Collection auch die jährlich erscheinende „MAK- und BAT-Werte-Liste“ mit Angaben zur Maximalen Arbeitsplatz-Konzentration (MAK) sowie zu Biologischen Arbeitsstoff-Toleranzwerten (BAT).

4 ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften ist das nationale Infrastruktur- und Forschungszentrum für lebenswissenschaftliche Daten und Informationen, <https://www.zbmed.de>, Stand: 31.07.2023.

5 Dieser Beitrag beruht auf dem Vortrag „Ruckzuck für alle: Barrierefreie PDFs automatisiert erstellt am Beispiel der MAK-Collection, ZB MED“ am 23.05.2023 anlässlich der 111. BiblioCon in Hannover, <https://opus4.kobv.de/opus4-bib-info/frontdoor/index/index/searchtype/collection/id/17536/start/0/rows/20/facetNumber_author_facet/all/author_facetfq/Ziemer%2C+Anja/docId/18445>, Stand: 31.07.2023.

6 Richtlinie (EU) 2016/2102, <https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32016L2102&from=
DE
>, Stand: 05.07.2023.

7 Durchführungsbeschluss (EU) 2018/1524, <https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:320
18D1524
>, Stand: 05.07.2023.

8 Vgl. dazu Richtlinie (EU) 2019/882, <https://eur-lex.europa.eu/eli/dir/2019/882/oj?locale=de>, Stand: 05.07.2023, vgl. auch Europäischer Rechtsakt zur Barrierefreiheit, <https://www.european-accessibility-act.de>, Stand: 09.07.2023.

9 Die Begrifflichkeit „Accessibility“ im Englischen bringt dabei besser als das deutsche Wort Barrierefreiheit auf den Punkt, worum es eigentlich geht. Denn letztlich kommt es darauf an, Zugänge zu schaffen: Zugänge, die von assistiven Technologien genutzt werden können. Vollständige Barrierefreiheit wird es angesichts der im Folgenden benannten Vielfalt von sehr spezifischen Bedarfen nicht geben können. Man spricht im Deutschen daher auch von „Barrierearmut“, um der Sensibilisierung für diese Problematik Ausdruck zu verleihen.

11 Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1, <http://www.w3.org/TR/WCAG21/>, Stand: 05.07.2023.

12 Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die EU-Mitgliedsstaaten darüber hinaus aufgefordert sind, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. In der Bundesrepublik Deutschland betrifft dies sowohl Gesetze auf Bundes- als auch auf Länderebene, wodurch die Komplexität der Sachlage nochmals gesteigert wird.

13 Vgl. dazu PDF ISO Standard 32000-1, <https://pdfa.org/resource/iso-32000-pdf>, Stand: 05.07.2023, vgl. auch PDF/UA-1, PDF Universal Accessibility Standard, <https://www.beuth.de/de/norm/din-iso-14289-1/264640771>, Stand: 09.07.2023.

14 Matterhorn-Protokoll, Prüfmodell für PDF/UA-Konformität, <https://www.pdfa.org/wp-content/uploads/2016/08/MatterhornProtokoll_1-02-2016-06-29.pdf>, Stand: 05.07.2023.

15 PAC 2021, PDF Accessibility Checker, kann kostenfrei heruntergeladen werden, <https://pdfua.foundation/de>, Stand: 05.07.2023.

16 Free PDF Accessibility Checker (PAC 3), <https://www.access-for-all.ch/en/pdf-accessibility-checker.html>, Stand: 08.11.2022.

17 Insbesondere Alternativtexte, auf die später ausführlich eingegangen wird, werden ohne eingeschaltetes Feature Accessibility bei der FOP-Transformation nicht in das PDF-Dokument übertragen.

18 Screenreader NVDA, kann kostenfrei heruntergeladen werden, <https://www.nvaccess.org/download/>, Stand: 05.07.2023.

19 Die Verschachtelung mehrerer Strukturelemente muss gemäß ihrer jeweiligen Spezifikation erfolgen. Um eine
korrekte logische Struktur herzustellen, kann Strukturelementen über das Rollen-Attribut eine passende Rolle zugewiesen werden. Für die Korrektur alleinstehender Satzschluss- bzw. Leerzeichen könnte sich z.B. konkret die Rollenzuweisung „NonStruct“ eignen.

20 Schriftart Libertine, <https://libertine-fonts.org>, Stand: 10.07.2023.

21 callas pdfToolbox Desktop, mit kostenloser Demoversion, <https://www.callassoftware.com/en/products/pdftool box/pdftoolboxdesktop/download>, Stand: 05.07.2023.

22 axesCheck, <https://check.axes4.com/de>, Stand: 05.07.2023.

23 Eine ausführlichere Abhandlung würde den vorliegenden Rahmen sprengen. Weiterführende Angaben finden sich u.a.
im VISCH-Leitfaden der Deutschen Blindenstudienanstalt e.V. (blista), <https://www.blista.de/sites/default/files/visch-leitfaden.pdf>, Stand: 05.07.2023, sowie im Praxisleitfaden zur Erstellung textbasierter Alternativen für Grafiken herausgegeben vom Projekt inklusive berufliche Bildung ohne Barrieren (iBoB), <https://weiter bildung.dvbs-online.de/files/ibob-daten/Inhalt/Infothek/Brosch%C3%BCren/bf_Gut%20f%C3%BCrs%20Image%20-%20Praxisleitfaden%20zur%20Erstellung%20textbasierter%20Alternativen%20f%C3%BCr%20Grafiken.pdf>, Stand: 05.07.2023.

24 VISCH-Leitfaden der Deutschen Blindenstudienanstalt e.V. (blista), S. 4, <https://www.blista.de/sites/default/files/visch-leitfaden.pdf>, Stand: 05.07.2023.

25 Ebd.

26 Hinweis: Der folgende Zusatz sollte heutzutage nicht weiter verwendet werden: „öffnet im neuen Fenster“ bzw.
„öffnet im neuen Reiter“ oder „öffnet im selben Fenster“ bzw. „öffnet im selben Reiter“.

27 Wobei Alternativtexte insbesondere bei Verlinkungen derzeit ggf. ebenfalls (nur) unter Verwendung von Adobe Acrobat korrekt ausgewertet werden.

28 Optimierung des Alternativtextes für Abbildung 1, S. 10, <https://doi.org/10.34865/bb743992d7_2ad>.

29 Alternativtext für Abbildung 2, S. 4, <https://doi.org/10.34865/bb9120d7_4ad>.

30 Erweiterungsmöglichkeit für den Alternativtext, S. 2, mit freundlicher Unterstützung durch Thorsten Schwarz, Karlsruher Institut für Technologie (KIT) | ACCESS@KIT – Zentrum für digitale Barrierefreiheit und Assistive Technologien, <https://doi.org/10.34865/mb304044d7_3or>.

31 Praxisleitfaden zur Erstellung textbasierter Alternativen für Grafiken herausgegeben vom Projekt inklusive berufliche Bildung ohne Barrieren (iBoB), S. 30, <https://weiterbildung.dvbs-online.de/files/ibob-daten/Inhalt/Infothek/Brosch%C3%BCren/bf_Gut%20f%C3%BCrs%20Image%20-%20Praxisleitfaden%20zur%20Erstellung%20textbasierter%20Alternativen%20f%C3%BCr%20Grafiken.pdf>, Stand: 05.07.2023.

32 Vgl. dazu <https://doi.org/10.34865/mb208279e8_1or>, vgl. z.B. auch <https://doi.org/10.34865/bb10041d8_1ad> sowie <https://doi.org/10.34865/mb5774d8_1ad> und <https://doi.org/10.34865/mb51353e8_1or> von insgesamt 20 automatisiert erzeugten Publikationen in Volume 8, Issue 1.