Aus der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Der Ausschuss für Wissenschaftliche Bibliotheken und Informationssysteme (AWBI) hat am 14. und 15. Juni 2023 in der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen getagt. Es wurden folgende Themen erörtert:

Klausurtagung des AWBI

Der AWBI hat sich der weiteren inhaltlichen Vorbereitung der für November 2023 geplanten Klausurtagung gewidmet. Schwerpunktmäßig soll in der Klausur das Thema „Erfolgsfaktoren für das Gelingen kooperativ getragener Infrastrukturen“ erörtert werden. Vor dem Hintergrund aktueller Herausforderungen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler soll die strategische Zielsetzung der DFG-Förderung von Informationsinfrastrukturen perspektiviert und diskutiert werden, wie zeitgemäße, an den Bedarfen der Forschung orientierte Infrastrukturen zu gestalten sind. In diesem Zusammenhang soll zudem die Rolle und Funktion von Communities für den Auf- und Ausbau von Informationsinfrastrukturen beleuchtet werden. Ziel ist es, in der Klausurtagung erste Schlussfolgerungen für das Förderhandeln der DFG zu entwickeln. Die Umsetzung von Maßnahmen wird dann Gegenstand der folgenden regulären AWBI-Sitzungen sein. Die Ergebnisse der Klausurtagung sollen in einem eigenen Positionspapier zusammengefasst werden.

Fachinformationsdienste für die Wissenschaft (FID)

Längerfristige Förderoption

Der AWBI hat sich mit den ersten Arbeitsergebnissen der eingesetzten Kommission zur Entwicklung einer längerfristigen FID-Förderoption (Arbeitstitel: FID-plus) befasst. Auf der Grundlage von drei Workshops, an denen jeweils rund 25 Expertinnen und Experten teilnahmen, hat die Kommission Charakteristika eines FID-plus und Schwellenkriterien für den Eintritt in eine FID-plus-Förderung erarbeitet. Außerdem wurden Eckpunkte für die Indikatorik erarbeitet, die Grundlage der Begutachtungen in der FID-plus-Förderung sein soll. Entsprechend der vorliegenden Vorschläge muss ein FID-plus einen nachweisbaren Impact und zentralen Nutzen für die Forschung haben, was auch eine internationale Sichtbarkeit und Vernetzung miteinschließt.

Außerdem muss eine wirksame Vernetzung des FID innerhalb der FID-Gesamtstruktur sowie mit weiteren relevanten Akteuren der (inter-)nationalen Informationsinfrastrukturen für den Fachbereich, z.B. zur NFDI, gegeben sein. Ein FID-plus ist darüber hinaus als domänenspezifisches Informationsinfrastrukturangebot in der Community etabliert und hat sowohl bezüglich der technischen Infrastruktur als auch der angebotenen Dienste einen stabilen Produktionsstatus erreicht. Folglich werden nur FID mit einem hohen Reifegrad für eine über zwölf Jahre hinausgehende Förderung in Frage kommen. Da auch eine längerfristige Finanzierung nur projektförmig erfolgen kann, wird es weiterhin in regelmäßigen Zyklen Begutachtungen geben. Als wesentliche Grundlage der Begutachtung soll die Indikatorik sowohl qualitative als auch quantitative Elemente beinhalten. Der AWBI bestätigte die erarbeiteten Ergebnisse der Kommission und erteilte ihr den Auftrag, die Indikatorik weiter auszuarbeiten.

Da die FID-Gesamtstruktur noch in Entwicklung befindlich ist, ein sichtbarer Beitrag zu dieser Gesamtstruktur aber ein wesentliches Kriterium in der FID-plus-Förderung sein wird, wird der AWBI sich im Dialog mit den Gremien der FID-Gesamtstruktur an dem Prozess der Weiterentwicklung konkreter Zielsetzungen beteiligen.

Digitalisierung und Erschließung

Vorbereitung einer Ausschreibung für eine internationale Konferenz

Der AWBI hat sich in seiner Sitzung über die Fortschritte in den Gesprächen zwischen der Gruppe „Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme“ (LIS) der DFG und dem National Endowment for the Humanities (NEH) informiert. Geplant ist eine bilaterale Ausschreibung zur Konzeption, Organisation und Dokumentation einer internationalen Konferenz zum Thema „Digitalisierung von Sammlungen aus kolonialen Kontexten“. Erste gemeinsame Überlegungen hinsichtlich der inhaltlichen Ausrichtung sehen einen breiten Überblick über Policies, Best Practices, Standards, Kriterien und Thesauri sowie die Anwendung der CARE-Prinzipien (Collective Benefit, Authority to Control, Responsibility, Ethics) bei der Digitalisierung entsprechender Sammlungen vor. Auf dieser Basis sollen Bedarfe und Lücken identifiziert werden. In einem weiteren Schritt können darauf aufsetzend nationale und ggf. auch bilaterale Förderbedarfe definiert werden. Aus Sicht des AWBI ist es wichtig, möglichst vielfältige Perspektiven, auch bei der Auswahl der möglichen Beiträge zur auszuschreibenden Konferenz, einzubeziehen. Daher wurde der Vorschlag der DFG und des NEH, schon in vorbereitenden Gesprächen Akteure aus anderen Ländern – wie beispielsweise Kamerun und Brasilien – hinzuzuziehen, begrüßt.

Kommunikationsmaßnahmen im Programm „Digitalisierung und Erschließung“

Über die verbesserte Information zu den Fördermöglichkeiten von Projektvorhaben an der Schnittstelle zwischen Forschung und wissenschaftlicher Informationsinfrastruktur1, sogenannten Brückenanträgen, hatte sich der AWBI bereits in seiner vergangenen Sitzung informiert. Seitens der DFG-Geschäftsstelle ist nun ein Kommunikationskonzept für Antragstellende aus dem Museumsbereich erarbeitet worden. Hintergrund ist, dass seit der Neukonzeption des Programms „Digitalisierung und Erschließung“ und der damit einhergehenden Erweiterung auf nichttextuelle Objekte im September 2020 weiterhin ein Großteil der Anträge von Bibliotheken und Archiven eingereicht wird und sich somit die Anträge nach wie vor überwiegend auf gedrucktes und handschriftliches Material beziehen. Ziel der geplanten Kommunikationsmaßnahmen, die vom AWBI begrüßt wurden und schrittweise umgesetzt werden sollen, ist es, im Museumsbereich die Sichtbarkeit des Programms zu erhöhen und gleichzeitig auf den Mehrwert von spartenübergreifenden Kooperationen hinzuweisen.

Infrastrukturen für wissenschaftliches Publizieren

Open Research Europe

Bei Open Research Europe handelt es sich um eine Publikationsplattform für die Veröffentlichung von Ergebnissen im Open Access aus EU-geförderten Projekten. Die Plattform enthält Forschungsergebnisse aller Wissenschaftsdisziplinen und wird aktuell von der EU-Kommission finanziert. Es ist geplant, verschiedene nationale Förderer und weitere Einrichtungen ab 2026 am Betrieb zu beteiligen. Der AWBI hat sich daher mit der Frage befasst, ob eine DFG-Beteiligung an der Plattform sinnvoll wäre. Aus Sicht des AWBI spricht nichts gegen ein Engagement der DFG an Open Research Europe. Die Ausweitung der Plattform stellt ein Experiment dar bezüglich der Governance von Publikationsinfrastrukturen. Auch mit Blick auf eine nachhaltige Open-Access-Transformation seien solche Unterfangen strategisch wichtig. Kritisch ist zu bewerten, dass es bisher noch nicht ausreichende Anreize gibt, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowohl von dieser Publikationsart als auch von der Nutzung einer solchen Plattform zu überzeugen. Das Profil, das die Plattform haben wird, wird jedoch in einem Dialogprozess mit der Europäischen Kommission aktuell noch geschärft werden. Mehrheitlich begrüßt wurde dagegen das angewandte Open-Peer-Review-Verfahren, das zwar mehr Engagement von den Gutachtenden fordert, aber voraussichtlich auch die Qualität heben wird und zudem die Leistung der Gutachtenden sichtbar macht.

Eckpunkte zu einer Ausschreibung „Neue Dynamik für Diamond
Open Access“

Auf der Basis der Ergebnisse des im November 2022 abgehaltenen Rundgesprächs zum Thema „Diamond Open Access“ hat der AWBI vorgeschlagen, eine Ausschreibung zum Thema zu lancieren. Der AWBI hat sich in der Sitzung mit den Eckpunkten für eine solche Ausschreibung befasst und diese verabschiedet.

Datentracking und DEAL

Der AWBI hat sich über die Fortschritte in der von ihm eingesetzten Ad-hoc-AG zu Datentracking und DEAL informiert. Die Ad-hoc-AG plant ihre Arbeitsergebnisse zu publizieren. Nach Abschluss der Arbeiten wird sich die Ad-hoc-AG auflösen und das Thema wird im Kontext des neuen Allianz-Schwerpunktes „Digitalität in der Wissenschaft“ weiterverfolgt werden.

Digitaler Wandel in den Wissenschaften

Die DFG hat sich zum Ziel gesetzt, beim digitalen Wandel in den Wissenschaften eine gestalterische Rolle einzunehmen. Dies bezieht sich vorrangig auf folgende Felder: fachlicher und interdisziplinärer Diskurs, Gremien und Kompetenzen der DFG sowie Förderverfahren und -angebote. Zur Umsetzung und Begleitung der Maßnahmen wurde zum einen im April 2022 ein DFG-geschäftsstelleninternes Programm „Digitaler Wandel“ eingerichtet, zum anderen hat der Senat – wie bereits berichtet – im März 2023 eine Ad-hoc-AG zum Digitalen Wandel eingesetzt. Der AG gehören acht Mitglieder des Senats sowie ständige Gäste aus weiteren DFG-Gremien, darunter dem AWBI, an. Gegenstand einer ersten Sitzung dieser Ad-hoc-AG, die Mitte Juni 2023 stattgefunden hat, war der Umgang mit generativer KI und den Konsequenzen für das konkrete Förderhandeln der DFG.

Knowledge Exchange

Der AWBI hat sich zudem über die aktuellen Aktivitäten des europäischen Netzwerks Knowledge Exchange2 informiert. Im Bereich Open Science haben sich die sechs Partnerländer mit „Persistent Identifiers“3 und „FAIR Data and Software supporting Reproducible Research“4 befasst, im Bereich Open Access mit „Small Publishers and the Transition to Open Access“5 sowie „Alternative Publish­ing Platforms“6.

Das Strategy Forum im März 2023 stand unter dem Thema „Impact of geopolitical developments on research“. Dabei wurden die Schwerpunktthemen der vergangenen Jahre als weiterhin relevant für den Zeitraum 2023 bis 2025 eingestuft. Es handelt sich um folgende Themen:

Spezifische neue Aktivitäten, die im Strategy Forum identifiziert wurden und ggf. von Knowledge Exchange aufgegriffen werden, lassen sich diesen Schwerpunkten zuordnen.

DFG-Präsidialkommission zu Nachhaltigkeit

Die Rückmeldungen und Anmerkungen des AWBI zu den konkreten Fragen aus der DFG-Präsidialkommission zu Nachhaltigkeit waren in die weiteren Ausarbeitungen eingeflossen. Die Kommission hat die Empfehlung abgegeben, dass Antragstellende in der Beschreibung des Vorhabens künftig unter den Begleitinformationen Nachhaltigkeitsaspekte ihres Vorhabens reflektieren sollen. Dies soll durch die Veröffentlichung eines Leitfragenpapiers unterstützt werden. Der Senat der DFG hat in seiner Sitzung im März 2023 diesen Vorschlägen zugestimmt. Die Umsetzung in den Antragsleitfäden soll ab Anfang 2024 sukzessive erfolgen, begleitet von entsprechenden Kommunikationsmaßnahmen.

Ulrike Hintze, Deutsche Forschungsgemeinschaft
Gruppe ‚Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme‘ (LIS)

Zitierfähiger Link (DOI): https://doi.org/10.5282/o-bib/5991

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1 DFG: Projektvorhaben an der Schnittstelle zwischen Forschung und wissenschaftlicher Informationsinfrastruktur, <https://www.dfg.de/foerderung/programme/infrastruktur/lis/lis_foerderangebote/brueckenprojekte/index.html>, Stand: 21.10.2023.

2 Knowledge Exchange, <https://www.knowledge-exchange.info/>, Stand: 21.10.2023.

3 Persistent Identifiers – risks and trust related issues explored with new Knowledge Exchange report and case
studies, Knowledge Exchange, 02.02.2023, <https://www.knowledge-exchange.info/news/articles/2-2-23>, Stand: 21.10.2023.

4 FAIR Data and Software supporting Reproducible Research (FDSR), Knowledge Exchange, <https://www.knowledge-
exchange.info/event/fair-data-and-software
>, Stand: 21.10.2023.

5 Small Publishers and the Transition to Open Access, Knowledge Exchange, <https://www.knowledge-exchange.info/event/small-publishers-and-the-transition-to-open-access>, Stand: 21.10.2023.

6 Alternative Publishing Platforms, Knowledge Exchange, <https://www.knowledge-exchange.info/event/alternative-
publishing-platforms
>, Stand: 21.10.2023.